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Drägers Bankrott

,,Welch ein Bankrott! Wie ist da
Ein großer Ruhm verschollen! Welch eine Entdeckung:
Daß ihr System des Gemeinlebens denselben
Jämmerlichen Fehler aufweist wie das
Bescheidenerer Leute!“

Bertolt Brecht, ,,Verschollener Ruhm der Riesenstadt New York“, 1929.

Der ,,Wissenschaftsmanager“ Dräger hat abgewirtschaftet. Nun will er die verheerende Bilanz seiner Wissenschaftspolitik den Hochschulen unterschieben. Damit sollte er scheitern.
Denn eigentlich nötig ist eine neue Bildungsexpansion: Das hohe Niveau industrieller und geistiger Entwicklung in den Industriestaaten beruht auf der Tatsache, daß immer mehr Menschen steuernd und planend neben die Produktion treten müssen und mit analytischem Verständnis für den Gesamtprozeß, in den ihre Arbeit eingebunden ist, eigenständig zu wachsender Produktivität beitragen. Die dafür erforderliche wissenschaftlich- systematische Einsicht in gesellschaftliche Prozesse ist stets damit verbunden, die eigenen Lebens- und Arbeitbedingungen kritisch zu hinterfragen.

Genau dies zu verhindern ist ein zentrales Ziel des aktuellen Hamburger Senates. Er will die Hochschulen im Rahmen der ,,Wachsenden Stadt“ zu Produktionsstätten für devot-flexible ,,Humanressourcen“ für das Höher-Schneller-Weiter in der Standort-Deutschland-Exportweltmeisterschaft degradieren. Mit den ,,Leitlinien für die Entwicklung der Hamburger Hochschulen“ hat Senator Dräger seit 2003 versucht, die erforderliche Bildungsexpansion durch einen doppelten Kunstgriff einzuschnüren: Erstens soll durch die Einführung der BA/MAAbschlüsse ein Großteil der Studierenden bereits nach der Hälfte der bisherigen Studienzeit nach Hause geschickt werden; das Grundstudium gilt plötzlich als ,,berufsqualifizierend“. Der zweite Trick steckt in dem Konstrukt ,,Steigerung der Studienerfolgsquote durch intensivierte Betreuung“. Durch paternalistische Dauerbetreuung, restriktive Fristen und permanente Prüfungen sollen die Studierenden davon abgehalten werden, über Inhalt und Bedeutung ihres Studiums nachzudenken, damit sie brav zügig zu Ende studieren. Da die ständige Gängelung der Studierenden den Hochschulen einen erheblich größeren Personalaufwand abfordert, werden angesichts der chronischen Unterfinanzierung die Zulassungszahlen reduziert. Vorgeblich sollen die Gebühreneinnahmen hier Abhilfe schaffen; sie verschärfen aber nur diese Entwicklung. Die absurde Gleichung lautet: Weniger Studierende = mehr Absolventen.

Nun wurde in den Verhandlungen über die Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Behörde und Uni (2007) deutlich, daß die Universität nach Einführung der Bachelor- Studiengänge kaum noch Lehrkapazitäten für die anschließenden Master zur Verfügung hat. Deshalb sollen in den Geisteswissenschaften nach Drägers Meinung lediglich etwa 10 % derjenigen, die zuvor ein Bachelor-Studium begonnen haben, ein Master-Studium möglich sein. Das käme dort einer fast völligen Einstellung des wissenschaftlichen Studiums gleich.
Obendrauf hat der CDU-Senat im Rahmen des bundesweiten ,,Hochschulpaktes 2020“ zugesagt, die Zahl der Studienplätze in den nächsten Jahren mindestens auf dem Niveau von 2005 zu halten. Er erhält dafür etliche Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Tatsächlich wurde die Zahl der Studienplätze in den letzten Jahren jedoch erheblich reduziert und müsste unter den jetzigen Rahmenbedingungen auch noch weiter abgesenkt werden. Zur Verschleierung will Dräger die Unis fiskalisch erpressen, sich neuen Studienplätze aus den Rippen zu schneiden.

Die Senats-Politik ist gescheitert: Sie offenbart, daß die streng neoliberale, kommerzielle Zurichtung von Bildung, Wissenschaft und Mensch sogar die gegenwärtige (wirtschaftliche) Nützlichkeit der Hochschulen gefährdet. Vor allem aber ist der ökonomistische Dirigismus eine Entwürdigung für alle. Er dient einzig einer insgesamt wirtschaftlich, sozial, kulturell (also zivilisatorisch) zerstörenden Marktökonomie.
Das politisch Gemachte ist veränderbar. Die Verteidigung der Universität, ihr Ausbau als sozial offene Massen- und demokratische Mitgliederuniversität, die durch kritische Wissenschaft, die Einheit von Forschung und Lehre und interdisziplinäre Fächervielfalt für die Bildung mündiger Menschen wirkt, erfordert die Verständigung der Hochschulmitglieder und den offenen Konflikt mit Senator und Wissenschaftsbehörde. Aktuell bedeutet das: Revision der restriktiven BA/MAStudiengänge, praktische Demokratisierung des Hochschulalltages, bedarfsdeckende staatliche Finanzierung der Hochschulen und ein klares Nein zu Studiengebühren. Der Boykott von Studiengebühren ist dafür ein erforderlicher Schritt. Der Bankrotteur muß gegangen werden.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 20. Februar 2007, http://www.harte--zeiten.de/artikel_551.html