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Lebensqualität durch Disziplin?
,,Das letztlich muss Erziehung auch leiten: Jugendliche erfahren zu lassen, dass Respekt und Disziplin Lebensqualität bedeutet.“
Annette Schavan, ,,Warum ich morgens um sechs Uhr aufstehe“, Cicero 2006.
Am Donnerstag dieser Woche wird mit einigem Aufwand der Einstand der neuen Uni-Präsidentin, Monika Auweter-Kurtz begangen. Die Konservative aus Baden-Württemberg hat als Festrednerin eine weitere Konservative aus Baden-Württemberg geladen: die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan.
Frau Schavan ist für die Einführung von Kopfnoten in der Schule. Wer die Tüchtigen und Leistungsbereiten stärke, mache ,,Deutschland“ kreativer. ,,Wer das tut, hilft damit auch den sozial Schwachen“. Und: ,,Bürgertum setzt Disziplin voraus.“ Hier wird an Loriot erinnert.
Wenn ,,Deutschland“ zum Subjekt der Weltgeschichte wird, geht das in der Regel nicht gut aus. Leistung, Disziplin und Respekt sind ,,Tugenden“, die einzig in einer von Konkurrenz dominierten und streng hierarchischen Gesellschaft von Wert sein können. Die soziale Ungleichheit des Kapitalismus ist damit rundum programmatisch.
Hinter schönrednerischer christlicher Soziallehre und pseudo-humanistischer Bildungsrhetorik verbirgt die Unionspolitikerin vor allem ein miefiges Gesellschaftsverständnis und vor-aufklärerisches Menschenbild. Sie ist für Studiengebühren, gegen das BAföG, aus konfessionellem Dünkel gegen das Kopftuchtragen und für Internats-Zwang für ,,Schwererziehbare“. Sie verehrt Konrad Adenauer und hält die Wiederholung des ,,Wirtschaftswunders“ der 1950er Jahre auch ohne vorhergehende Kriegszerstörung und -gewinne für möglich. Der größte Bruch in einer für sie ansonsten positiven europäischen Bürgerkultur ist ihr nicht 1933 sondern 1945, also die Befreiung vom Faschismus. Gegen solche Auffassungen haben die Studierenden der 1968er-Bewegung erfolgreich protestiert.
Ihr Ministerium buttert gerade 120 Millionen Euro in sogenannte ,,Sicherheitsforschung“. Dahinter verbirgt sich ein Programm, mit dem ,,Deutschland“ ,,gefahren-, terror- und katastrophensicher“ gemacht werden soll. Zusammengefaßt: die Heimatfront soll kriegsfest sein, während ,,wir“ unsere Interessen am Hindukusch verteidigen.
Frau Schavan hat nun das ,,Jahr der Geisteswissenschaften“ ausgerufen. Das führt zu einem Aufatmen in diesen unter dem Ökonomisierungsdruck arg gebeutelten Fächern in den Wissenschaften, denn: ,,Die Geisteswissenschaften sollen helfen, die Globalisierung nicht nur als ökonomischen Prozeß zu begreifen“, sagt Schavan. Aber wie dann? ,,Für die Geisteswissenschaften als solche mag der Gegenstand der Afrikanistik zum Beispiel nur für einen kleinen Teil spannend sind. Aber gerade für den Kaufmann oder den Ingenieur spielt bei geschäftlichen Kontakten die Afrikanistik eine wesentliche Rolle.“ Der Vorteil der vielfältigen Geistes- und Kulturwissenschaften in der BRD sei ihre lange Tradition, die im Kolonialismus des 19. Jahrhunderts begonnen hat.
Der christliche Konservatismus soll der Diktatur des Marktes ein ,,menschliches“ Antlitz verleihen. Mit sozialem Fortschritt, geistig-kultureller Aufklärung, qualifizierter Demokratie, (internationaler) Solidarität und Frieden hat das nichts zu tun.
Frau Schavan zitiert gerne Klassiker aufgeklärter Literatur und Philosophie. ,,Information ist nicht Wissen“. Genau. Wir sollten uns keinen Sand in die Augen streuen lassen.
Kritisches Nachdenken, handlungsleitendes Kommunizieren und eine solidarischen Haltung im Alltag sind das beste Gegenmittel gegen das Gift isolierender Leistungshetze für fremdgesetzte Zwecke.
Die Vernünftigen können so gemeinsam viel bewirken. Konservativ sind die anderen.
01.02.2007 Antrittsveranstaltung der Unipräsidentin Monika Auweter-Kurtz