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Universitätspräsident Dr. Jürgen Lüthje am 07.04.2003

Begrüßung der Erstsemester an der Universität Hamburg

Liebe Studentinnen, liebe Studenten,

als Präsident der Universität Hamburg begrüße ich Sie ganz herzlich zum Sommersemester 2003.

Dieses Semester beginnt in einer Zeit kriegerischer Auseinandersetzung. Bereits seit zwei Wochen sprechen nun die Waffen im Irak und töten Tausende von Menschen - Soldaten, unbeteiligte Zivilisten, wehrlose Kinder. Diese Waffen sind Produkte modernster Technik und wissenschaftlicher Entwicklung. Es sind nicht chirurgische Instrumente, wie manche Berichte uns glauben machen wollen, sondern Werkzeuge der Vernichtung, der Gewalt und des Todes. Sie nutzen die gleichen Technologien, die zum Beispiel das Handy hervorgebracht haben oder die Navigationssysteme im Auto.

Uns stellt sich damit unausweichlich die Frage: Zu welchem Zweck, mit welchem Ziel betreiben wir Wissenschaft? Diese Frage muss auch Ihr Studium begleiten, die ganze Zeit und intensiv. Dieser Frage müssten sich Lehre und Forschung stellen, alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gesamte Universität.

Nicht Wissenschaft und Technik sind gut oder böse, sondern die Art und der Zweck ihrer Anwendung sind entscheidend für die moralische und politische Bewertung. Aber täuschen wir uns nicht: Die Ambivalenz jeder Wissenschaft, ihr Potenzial, Gutes zu bewirken und Schlechtes hervorzubringen, zwingt uns, ganz persönlich Verantwortung zu übernehmen. Das meinte schon Wilhelm von Humboldt, wenn er ,Bildung durch Wissenschaft' als Zweck der Universität sah. Er meinte damit, dass es bei dem wissenschaftlichen Bemühen um Erkenntnis nicht nur um Wissen geht, sondern um die Fähigkeit zu vernünftigem Handeln. Denn Wissenschaft ist der Versuch, das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt, aber auch das Verhältnis des Menschen zu sich selbst und der Menschen zueinander vernünftig zu gestalten. Wie weit wir davon noch entfernt sind, zeigen uns die ungelösten Umweltprobleme unserer Welt, zeigen Armut und Krankheiten, vor allem aber auch Kriege, Terror und Gewalt.

Um diese Probleme besser bewältigen zu können, benötigen wir nicht einen Abschied von Wissenschaft, sondern mehr Wissenschaft und vor allen Dingen mehr Bildung. Dabei geht es nicht nur um Naturwissenschaft und Technik, so sehr wir sie zur Lösung unserer Probleme benötigen, sondern auch und gerade um das Wissen über uns selbst: über Kulturen, Geschichte und über gesellschaftliche Zusammenhänge. Wer diese Dimensionen ausblendet, wird das Zusammenleben der Menschen und ihr Verhältnis zu Natur und Umwelt nicht vernünftig und verantwortlich gestalten können.
Mit der Vielfalt ihrer Fächer bietet unsere Universität die besten Voraussetzungen für ein Studium, das diese Aspekte einbezieht. Am Beginn Ihres Studiums mag Ihnen dieses Ziel vielleicht zu weit gesteckt erscheinen. Aber wenn Sie selbst mit Engagement beginnen und auch über die Grenzen Ihres Faches hinausblicken, wird sich Ihnen die Bildungsdimension des Studiums, die Befähigung zu verantwortlichem Handeln wie von selbst erschließen. Diese Chancen einer großen Universität mit breiter Fächervielfalt wiegen die Orientierungsschwierigkeiten auf, die jede große Institution - sei es eine Großstadt oder eine große Universität - unvermeidlich mit sich bringt. Schon bald wird sich Ihnen das große Gebilde Universität als eine Ansammlung kleinerer, durchaus überschaubarer Einheiten darstellen. Sie werden Freundschaften finden, Lerngruppen bilden und persönliche Kontakte entwickeln.

Wir möchten Sie hier als Menschen begrüßen, die Ihren eigenen Bildungsweg selbst in die Hand nehmen, die sich dadurch zu mündigen Menschen entwickeln und nicht nur auf Betreuung setzen. Diese Universität ist kein wohl behütetes Bildungstreibhaus. Wir sind akademisches Freiland in dem Sie sich entwickeln können. Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches Semester an der Universität Hamburg und viel Freude beim Studium. Herzlich Willkommen!

Veröffentlicht am Montag, den 7. April 2003, http://www.harte--zeiten.de/dokument_485.html