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Ganz normale Geschäfte

Oder: Der Fall BenQ

,,So sind Konkurrenz und Monopol nicht natürliche, sondern gesellschaftliche Kategorien. Die Konkurrenz ist nicht der industrielle, sondern der kommerzielle Wetteifer; sie kämpft nicht um das Produkt, sondern um den Profit, sie ist keine Notwendigkeit der menschlichen Seele, sondern, aus historischen Bedürfnissen im achtzehnten Jahrhundert entstanden, kann sie im neunzehnten Jahrhundert aus historischen Bedürfnissen verschwinden.“
Franz Mehring, ,,Karl Marx, Geschichte seines Lebens“ (1918), Leipzig 1960.

Als am 3. Oktober mal wieder ,,Die Einheit“ gefeiert wurde, kam selbst die Kanzlerin an der tatsächlichen Spaltung der Gesellschaft nicht ganz vorbei: Das Traditionsunternehmen Siemens stehe in einer ganz besonderen Verantwortung für seine früheren Mitarbeiter.

Das ,,Traditionsunternehmen“ ist etwa 150 Jahre alt. Es ist mit der Industrialisierung groß geworden, hat sich an der kolonialen Erschließung des nahen und mittleren Ostens gewinnbringend beteiligt, war vor dem Ersten Weltkrieg ein multinationaler Konzern und hat im Zweiten Weltkrieg unter Ausnutzung von Zwangsarbeitern alle Produktionsstätten der Rüstung für den Vernichtungskrieg gewidmet. Nach dem Krieg ist die Siemens-AG in die Nuklearindustrie eingestiegen - Verantwortung?

Nun hat Siemens die schlecht laufende Handysparte an die deutsche Tochter des taiwanesischen Unternehmens BenQ ,,verkauft“. Dafür hat der Konzern noch einen dreistelligen Millionenbetrag drauf gelegt. Der Sinn war die Vermeidung teuer Sozialpläne bei Massenentlassungen für Siemens sowie der Gewinn an Know how und die Abwicklung eines Konkurrenten für BenQ. Die hochqualifizierten Angestellten (der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist da sehr gering) hatten sich damals mit einer 15- bis 30-prozentigen Lohnkürzung zum Arbeitsplatzerhalt abspeisen lassen, die jetzt, da der Betrieb geschlossen werden soll, negative Wirkung auf ihr Arbeitslosengeld hat. Da BenQ den Betrieb in eine Manager-GmbH, eine Know-how-GmbH und eine GmbH für die Angestellten zergliedert hat (Einlage 25.000 Euro), haben letztere nicht einmal mehr Aussicht auf Abfindungen. Siemens hat im Geschäftjahr einen Vorsteuergewinn von 2,493 Milliarden Euro gemacht, ein Plus von 14 Prozent. BenQ Aktien stiegen um 5,5 Punkte, als die Schließung der deutschen Unternehmenstochter bekannt wurde.

Die gnadenlose Kälte einer profitorientierten Weltwirtschaft könnte nicht deutlicher werden. Wo es um's Geschäft geht, sind sowohl der tatsächliche Nutzen der Produkte als auch die Produzierenden selbst eine Gefahr und nicht der Zweck des Wirtschaftens.

Zur Schadensbegrenzung ,,verzichten“ nun Manager auf eine 30prozentige Gehaltserhöhung. Und die Großkoalitionäre sehen ihr gemeinsames ideologisches Dach bedroht: Das Versprechen, daß wer ordentlich und brav schafft, auch einen Lohn erhält und der Vereinzelung in der globalen Konkurrenz mit ,,Werten“ wie Familie, Kirche und Nation wirkungsvoll begegnet werden könne, läßt sich nur schlecht aufrecht erhalten. Die hilflosen Appelle an die ,,Moral“ der Manager sind ein beredter Ausdruck dessen.

Was kann gelernt werden? Höhere Löhne sichern die Produktion und ermöglichen ein menschenwürdiges Leben. Gewerkschaftliche Kämpfe (auch international) sind dafür unerlässlich. Profite sind nicht der Gewinn der Mehrheit; der Kapitalismus hat abgewirtschaftet.
Und: ,,Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“ (Bertolt Brecht)

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 4. Oktober 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_443.html