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Der erfreuliche Ernstfall: Frieden
1) Die kulturelle Dimension
,,Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Haus. Aber er hatte kein Brot. Da sah er einen, der hatte Brot. Den schlug er tot.
Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter.
Warum nicht, fragte der Soldat.“
Wolfgang Borchert, ,,Lesebuchgeschichten“.
Der Mensch verneint sich selber durch die Roheit der gezielten Zerstörung, die seelenlos vonstatten gehen soll, aber tiefe Spuren hinterläßt. Die Folgen zeigen ihren Ursprung an.
Die Wahrheit stirbt - üblicher Weise - vor dem Kriege; in dem Krieg ist nach der Wahrheit; nach dem Krieg ist vor der Wahrheit; nach der Wahrheit ist vor dem Frieden.
2) Aufgeschoben ist weniger als bewältigt
,,Das Signal steht seit drei Jahrhunderten auf Freie Fahrt, aber nicht weil die Grundfragen gelöst wären, sondern weil wir gelernt haben, sie im Alltag unserer Arbeit auf sich beruhen zu lassen. Philosophie jedoch könnte man vielleicht definieren als den nicht ruhenden Willen, die Grundfragen zu stellen.“
Carl Friedrich von Weizsäcker, ,,Große Physiker, Von Aristoteles bis Werner Heisenberg“, Immanuel Kant, (herausgegeben von Helmut Rechenberg), Wiesbaden 2004, S. 183.
Die Grundfragen sind nicht in jeder Minute zu reflektieren, zu erörtern beziehungsweise neu zu beantworten - aber ohne schon beantwortete Grundfragen wäre der Mensch nicht handlungsfähig, ohne zu beantwortende Grundfragen hätte der Mensch keine Zukunft.
– Ist die Erde (wieder) eine Scheibe?
– Handelt es sich bei der Fußballweltmeisterschaft um ein reales Vergnügen?
– Haben die Wissenschaften eine Verantwortung für das soziale Wohlbefinden?
Die Antworten verlangen mehr als nur kurzzeitige Aufmerksamkeit.
3) Vorausschauende Erkenntnis
,, ... - so muß es einen Bund von besonderer Art geben, den man einen Friedensbund (foedus pacificum) nennen kann, der vom Friedensvertrag (pactum pacis) darin unterschieden sein würde, daß dieser bloß einen Krieg, jener aber alle Kriege auf immer zu endigen suchte. (...) - Die Ausführbarkeit (objektive Realität) dieser Idee der Föderalität, die sich allmählich über alle Staaten erstrecken soll und so zum ewigen Frieden hinführt, läßt sich darstellen.“
Immanuel Kant, ,,Zum ewigen Frieden/Ein philosophischer Entwurf“, Zweiter Abschnitt/Die definitiv Artikel, 1795.
Zu den wesentlichen Zielen der nach Diktatur und Weltkrieg 1945 gegründeten UNO gehören der Gewaltverzicht, die Erhaltung des Weltfriedens, die Regelung von Streitfällen mit friedlichen Mitteln und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen auf der Grundlage der Gleichberechtigung.
Die Momente und Bedingungen des positiven Friedens sind hier als die Förderung der Menschenrechte und der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung sowie Zusammenarbeit gefaßt.
Foedus pacificum.
4) Der erfreuliche Ernstfall: Courage
,,Ohne Zukunftsvision ist es schwierig, tragfähige Konzepte zu entwickeln, die über das Entscheiden auf case-to-case-Basis hinausgehen. Der Politik fehlt es an Rückgrat gegenüber den klar definierten Interessen der Wirtschaft und die Politiker neigen zu Wankelmütigkeit, um nicht zu sagen: zum Opportunismus.“
Juli Zeh, Nonstop Konsens, Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 26, 30. Juni 2006, S. 17.
Auch ohne die sogenannte Miesmacherei läßt sich konstatieren, daß ein mehrzehnfacher potentieller atomarer Overkill und der jährliche Etat der EU-Staaten von 180 Milliarden Euro für Rüstung und Streitkräfte von besorgnisgebender Dimension sind. Die materielle Bedrohung wächst.
Auch die Subjekte der Wissenschaften können mehr und mehr ihren Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen Friedensnorm und Kriegspraxis leisten.
Golnar Sepehrnia, Olaf Walther
Hamburg, den 6. Juli 2006