Menü | HomeAnträge und BeschlüsseZum Geleit › vom

Zum Geleit XX

Neue Etappe

oder: Kritische Vernunft ist immer richtig

1) Die Wahl
"Nun geht es weiter, nächste Episode! Fragt sich nur, in welche Richtung es weitergeht. Dies hängt von uns ab; an jedem Wendepunkt hat man die Wahl. (...)
Es wird ein Jahrhundert der beginnenden Welt-Zivilisation oder es wird das Jahrhundert der beginnenden Welt-Barbarei - wenn nicht schon gar der vollendeten. Der Zusammenbruch käme plötzlich und könnte kompletten, endgültigen Charakter haben. Die positive Entwicklung nimmt sich Zeit und bleibt unvollkommen."

Klaus Mann, "Der Wendepunkt", 1945, S. 509 ff.

Nach dem größten menschlichen Desaster von Diktatur, Massenvernichtung und Krieg waren die Erwartungen an Frieden, Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Bildung, Kultur und die zivile Entwicklung der Völkergemeinschaft enorm. Diese Hoffnungen hat auch Klaus Mann dialektisch - das heißt auch warnend vor dem Gegenteil - appellativ formuliert.
Der Akademische Senat und die geladenen Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben mit der universitären Veranstaltung zum 60 Jahrestag der Wiedergründung der Universität diesen Erwartungen und Hoffnungen würdig diskursiv Ausdruck gegeben.
Diese Maßstäbe sind alltagsrelevant.

2) Die Qual
"Ja, wie im Mittelalter alles, die einzelnen Bauwerke ebenso wie das ganze Staats- und Kirchenge­bäude, auf den Glauben an Blut beruhte, so beruhen alle unsere heutigen Institutionen auf den Glauben an Geld, auf wirkliches Geld. Jenes war Aberglauben, doch dieses ist der bare Egoismus. Ersteren zerstörte die Vernunft, letzteren wird das Gefühl zerstören. Die Grundlage der menschlichen Gesellschaft wird einst eine bessere sein, und alle Herzen Europas sind schmerzhaft beschäftigt, diese neue bessere Basis zu entdecken."
Heinrich Heine, "Die romantische Schule/Drittes Buch", 1835.

In der mit Macht betriebenen Ökonomisierung öffentlicher Institutionen mischen sich die Elemente des Aberglaubens, des Blutes und der heiligen Rangordnung mit denen des kühlen Kalküls utilitaristischer Rechenleistungen - Talare, Ehrfurchtsstaub und simpelste Betriebswirtschaft. Milchmädchen können dazu lachen.
Hier sind Verstand und Gefühl gefragt, eine neue bessere Basis zu entdecken und zu schaffen.

3) Die neue Legislatur
"Tui Hoo hatte keinen Respekt vor Denkmälern. Nicht etwa, weil sie feist waren und rotlackierte Fingernägel hatten - nein, Tui Hoo war kein Spießbürger, der sich über seinen Nachbarn aufregte, weil er einen komischen Hut trug. Er verkehrte häufig mit Damen, die Zigarren rauchten und heiser waren wie Gieskannen, oder mit Männern, die Ohrringe trugen und deren Hosenbeine weit waren wie Frauenkleider. Nein, kleinlich war Tui Hoo nicht."
Wolfgang Borchert, "Tui Hoo".

Nein, kleinlich ist die Arbeit und sind die Beschlüsse des Akademischen Senats (AS) nicht.
Die Grundordnung setzt auf den kooperativen Zusammenhang der Universität sowie die (so weit in den mißbilligenswerten Bedingungen möglich) demokratische Partizipation der Uni-Mitglieder.
Der AS lehnt Studiengebühren ab und artikuliert den Anspruch der sozialen Offenheit des Studiums.
Die wissenschaftliche Freiheit in gesellschaftlicher Verantwortung ist eine wesentliche Aussage des "Leitbildes" der Universität; dieses schließt das Engagement für eine friedliche Welt ein.
Die aktuelle Arbeitsperiode fußt auf diesen zu verwirklichenden Grundsätzen und Absichten.
Es fehlt nur noch ein bißchen Wind. Wasser unter dem Kiel ist vorhanden.

4)
"›Das Gesetz in seiner erhabenen Gleichheit verbietet Armen und Reichen, unter Brücken zu schlafen‹ - sagt Anatole France."
Kurt Tucholsky, Handelsteil, 1929.

Die Anteilnahme bringt die Unzufriedenheit auf die richtige Bahn.

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther
Hamburg, den 4. April 2006

Veröffentlicht am Dienstag, den 4. April 2006, http://www.harte--zeiten.de/dokument_432.html