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Zum Geleit XXI

Aus dem Alltag heraus

oder: Der geweitete Horizont

1) Erinnerung ist Zukunft
"Ein großes Muster weckt Nacheiferung
Und gibt dem Urteil höhere Gesetze."

Friedrich Schiller, Prolog zum "Wallenstein", gesprochen bei der Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798.

Nicht nur die "Klassiker" aus bewegten und bewegenden Zeiten, in denen vieles entstand, was uns - verschüttet zwar - als selbstverständlich erscheint; nicht nur die Erinnerung aus besseren Zeiten, in denen alle mehr als minder erfreulich vorangekommen sind; nicht nur das Beibehaltene, sondern auch - manchmal - der unzufriedene Blick in den Spiegel ist ein untrüglicher Hinweis auf eine verärgernde Gegenwart und mithin bessere Zukunft. Der produktive Ärger speist sich aus dem Vergleich.

2) Das Wider-Gute
und das widerschlechte Gute

"Wenn der Mensch ,Loch' hört, bekommt er Assoziationen: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels."
Kurt Tucholsky, "Zur soziologischen Psychologie der Löcher", 1931.

Die Propaganda der Unmenschlichkeit ist nicht zimperlich.
Bei allen gewichtigen Unterschieden der Gegenwart zu schlimmsten Zeiten, sind die Warnsignale aus der ungefesselten Barbarei Merkmale für das vernünftige Widerstehen. Geschichte - so oder so - ist nicht tot.
Krieg sei Frieden, autoritär sei demokratisch, asozial sei allgemein wohl, Konkurrenz sei natürlich. Wie schon gesagt: Die Propaganda der Unmenschlichkeit ist nicht zimperlich.
Die hier Widerstehenden sind gemeinsam vernünftig und kehren auf höherer Stufenleiter zu 1) zurück.

3) Worte
"Wie sagt man das? Was man nicht sagen kann, bleibt unerlöst - ,besprechen' hat eine tiefe Bedeutung."
Kurt Tucholsky, "Mir fehlt ein Wort", 1929.

Es heißt an schöner Stelle, daß ein Begriff bei dem Worte sein müsse.
Gespiegelt ähnlich viel gilt aber auch, daß ohne Worte keine Begriffe zu bilden sind.
Das bedachte Sprechen über Ungemach ist der Weg zu einem höheren Verständnis von Lösungen, Handlungsabsichten und das Verlassen der Isolation. Der erste entscheidende Schritt ist getan.
Worte sind so mehr als "nur" Worte.

4) Taten
"Nur das geistige Gewissen hält Stand - wenn ein gefühls- und gewohnheitsmäßiges Pflichtgefühl schon längst nachläßt."
Heinrich Mann, "Die Macht des Wortes", 1935.

Pures und schlichtes Durchhalten ist nach und nach abgenutzt.
Das getriebene Mitmachen findet sich schleichend ein.
Der vermeintliche eigene Vorteil werkelt dauerhaft gnadenlos gegen die eigene Würde.
Ein wieder neues Bewußtsein für die eigene Verantwortung gibt die Freude aus der Gefangenschaft frei.

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther
Hamburg, den 03.05.2006

Veröffentlicht am Mittwoch, den 3. Mai 2006, http://www.harte--zeiten.de/dokument_425.html