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Deutsche Opfer

Zur Normalität von Kriegführung gestern und heute

Am 30. Januar 2003 jährt sich zum 70. mal die Machtübertragung an Adolf Hitler und die NSDAP. Das Bündnis von Kapitalvertretern, Militär, reaktionären Parteien und Kultureliten installierte 1933 die faschistische Diktatur mit dem Ziel der imperialen Expansion zur Ausbeutung der Bevölkerung im In- und Ausland. 60millionenfaches Sterben und die Verwüstung ganz Europas waren die Folge.

Allerdings ist die öffentliche Debatte von einem anderen Gedenken sehr viel stärker geprägt: Rechtzeitig zur 60. Wiederkehr der Bombardierung zahlreicher deutscher Städte wie Hamburg oder Dresden im Jahr 1943 wird laut und pressewirksam darüber nachgedacht, ob nicht auch die britischen Luftangriffe als Kriegsverbrechen zu werten seien.

Nun könnte die Besinnung auf die verheerenden Folgen des Krieges auch unter der deutschen Bevölkerung durchaus ein Beitrag dazu sein, gegen den Krieg einzutreten. Das gemeinsame Schicksal der durch die Kriegsmaschinerie vernichteten Menschen in Hamburg, Dresden, Coventry, Rotterdam, Warschau oder Hiroschima macht nur zu deutlich, dass auch im zweiten Weltkrieg nicht Völker oder "Rassen" gegeneinander kämpften. Vielmehr ging es darum, Unterdrückung und Ausbeutung auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung in und von allen kapitalistischen Staaten gewaltsam durchzusetzen. Dem entgegen war mit der Wirtschaftskrise von 1929 die Notwendigkeit einer grundlegenden Umwälzung der Verhältnisse offensichtlich geworden und die sozialistische Alternative war spätestens seit der November-Revolution 1918 sichtbar. Das Anliegen, die "bolschewistische Gefahr" abzuwehren, einte zeitweise sogar die faschistischen Achsenmächte und die späteren Westalliierten. Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges war der internationale Protest gegen die massenhafte Verhaftung und Hinrichtung von Kommunisten und Sozialdemokraten sowie gegen die beginnende Judenverfolgung entsprechend verhalten. Freiheit und Demokratie waren schon damals nicht das erste Ziel kapitalistischer Kriegsherren.

Die militärische Befreiung Deutschlands und Europas vom Faschismus waren nichts desto trotz notwendig zur Zurückweisung der geplanten vollständigen Versklavung der europäischen Bevölkerung und zur Beendigung der Judenvernichtung. Zur Untergrabung der "deutschen Kriegsmoral" vor allem Arbeiterviertel und Flüchtlinge statt (Rüstungs-) Produktionsstätten zu bombardieren, muss niemand richtig finden. Die Gleichsetzung alliierter Bombardements mit faschistischer Kriegführung jedoch hat gegenwärtig nur die Funktion, das Ausmaß der faschistischen Zerstörung zu relativieren. Durch die Vernebelung der eigentlichen Ursachen des Zweiten Weltkriegs soll der Eindruck entstehen, Deutsche hätten genauso Krieg geführt wie alle anderen auch. Dann können sie es doch auch heute.

Deshalb werden die Eroberungskriege gegen Jugoslawien und Afghanistan sogar mit einer angeblichen Vergleichbarkeit zur Befreiung Auschwitz? gerechtfertigt. Niemand soll sich beschweren, dass die Bundeswehr systematisch dafür um- und aufgerüstet wird, solche Kriege in Zukunft noch wirksamer zu führen - an der Seite der USA soll unwidersprochen weltweit für die Interessen von Exxon, BP und Siemens Krieg geführt werden.

Um so wichtiger ist es, die Erinnerung an Faschismus und Krieg mit dem heutigen Kampf gegen Militarisierung und Rechtsentwicklung zu verbinden. Es ist an uns, die Bundesregierung unter Druck zu setzen, so dass sich Deutschland nicht am angedrohten Angriff auf den Irak beteiligt, sondern darüber hinaus aktiv für seine Verhinderung wirkt. Abrüstung, Verständigung sowie soziale und demokratische Entwicklung sind weltweit (wieder) in den Mittelpunkt der internationalen Politik zu stellen. Humanistische Aufklärung und friedenspolitisches Engagement sind nicht zuletzt Aufgabe der Universität und all ihrer Mitglieder. Dies sollte man künftig auch der studentischen Interessenvertretung im AStA anmerken.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 13. Januar 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_42.html