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SP-Listen Langdarstellung

Der Kampf für Reformen

"Wenn wir nämlich als Realpolitik eine Politik erkennen, die sich nur erreichbare Ziele steckt und sie mit wirksamen Mitteln auf dem kürzesten Wege zu verfolgen weiß, so unterscheidet sich die proletarische Massenpolitik im Marxschen Geiste darin von der bürgerlichen Politik, daß die bürgerliche Politik vom Standpunkte der materiellen Tageserfolge real, während es die sozialistische Politik vom Standpunkte der geschichtlichen Entwicklungstendenz ist."

(Rosa Luxemburg)

Repressionen, Zerschlagung sozialer Errungenschaften und Abbau demokratischer Beteiligungsrechte - dies kennzeichnet die Politik des Hamburger Rechtssenats. Die Universität soll hochqualifizierte Untertanen ausspucken, die Spaß an der Selbstausbeutung haben und keine Kritik äußern - ob sie nun Gerät für deutsche Kriegseinsätze, optimierte Marketingstrategien oder Theoreme zur Verschleierung der zugespitzten gesellschaftlichen Auseinandersetzung entwickeln sollen.

Massenarbeitslosigkeit, Armut, Krieg und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen sind Kennzeichen einer allgemeinen gesellschaftlichen Krise. Die Antwort des Neoliberalismus - ob durch den Hamburger Senat oder die US-Administration im Interesse der wirtschaftlichen Profiteure vollzogen - ist eindeutig: Weitere Profitmaximierung erfordert weitere Brutalisierung, also mehr alltäglichen Konkurrenzkampf hier und mehr Krieg weltweit. Menschen, Institutionen und Staaten sollen gleichermaßen durch Einschüchterung zum fortgesetzten Erdulden von Konkurrenz und Destruktion getrieben werden.

Für produktives Wirtschaften wird gleichzeitig die höhere wissenschaftliche Qualifikation aller Menschen immer wichtiger; der Bedarf an akademisch gebildeten Fachkräften ist enorm hoch. Soziale Schranken sollen deshalb fallen - auch von der politischen Rechten wird dies verlautbart. Doch die wachsende Qualifikation Aller soll nicht kooperativ, für langfristige soziale, demokratische, friedliche Entwicklung nutzbar gemacht werden können. So wird bereits der Erwerb der Qualifikation durch extreme Konkurrenzbedingungen (= hohen Anpassungsdruck) von der Unterordnung unter die Prämissen marktorientierten Handelns abhängig gemacht. Weltweit und auch hier wird von allen nicht weniger verlangt, als die Anerkenntnis von Ungleichheit, Konkurrenz und Unterordnung als Naturprinzipien. Diese Funktion hat auch die Hochschulpolitik des Wissenschaftssenators Dräger, der mit Studienkonten, Entdemokratisierung und letztlich der vollständigen Unternehmensorientierung der Hochschulen der Brutalisierung des Alltags konkrete Formen gibt. Dagegen ist Widerstand erforderlich.

Angesichts der wachsenden allgemeinen Bedeutung von Bildung und Wissenschaft muss die Reform der Hochschulen die Humanisierung des Alltags zum Inhalt haben. Bereits in den späten 60er Jahren protestierten Studierende mit dem Slogan "Wider die Untertanenfabrik!" gegen altertümliche Autoritätsvorstellungen, Elitenbildung und die (innerwissenschaftlichen) Kontinuität seit dem Faschismus. Mit der Forderung nach Abschaffung von Studiengebühren, nach sozialer Absicherung, Demokratisierung und kritischem Gesellschaftsbezug in den Wissenschaften stritten Studierende damals für wirklich moderne Hochschulen. Die Stärken der heutigen (teilweise) Demokratischen Massenuniversität sind Resultat der damaligen Bewegung für mehr Demokratie in der ganzen Gesellschaft. Die Durchsetzung dieser Reformen erforderte massives außerparlamentarisches Engagement. Grundlage war der heute wieder aktuelle Widerspruch zwischen massiver politischer Rückwärtsgewandtheit und der Notwendigkeit der Überwindung der gesellschaftlichen Krise. Es mangelte jedoch an Entschlossenheit, die angestoßenen Reformen in wirtschaftlichen Krisenzeiten gegen den Widerstand der Kapitalseite fortzuführen. Erst schleichend, nunmehr rapide, werden sie seither zurückgenommen.

Sich mit abmilderndem Klein-Klein oder dem Erhalt des Bestehenden zu bescheiden ist daher weder anstrebenswert noch eine realistische Option. Hochschulen sind und werden zunehmend ein zentraler Ort der gesellschaftlichen Entwicklung. Kooperative, wissenschaftliche Praxis muss deshalb allen Menschen, unabhängig von sozialer Lage, Alter oder Beruf ermöglicht werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Alle ihr Leben in die eigene Hand nehmen können und gewährleistet gleichzeitig eine hohe gesellschaftliche Repräsentanz der Universitätsmitglieder. Diese müssen deshalb in umfassend demokratisch organisierten Gremien, in den Seminaren und im steten Austausch mit außeruniversitären Institutionen selbst über die Ziele, Inhalte und Methoden von Forschung und Lehre verfügen können. Die gesellschaftliche Nützlichkeit von Bildung und Wissenschaft kann größer nicht sein, als wenn sie sich an den aktuellen Menschheitsproblemen und nicht den Profitproblemen Einzelner orientieren. Friedliche Lösungen von Konflikten, eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und kulturelle und wissenschaftliche Weltaneignung für Alle zu befördern sind zeitgemäße Aufgaben für die Hochschulen.

Der Kampf für eine weitreichende Reform der Hochschulen ist deshalb ein Kampf für die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen. Die Politik des Hamburger Senats hat das Gegenteil zum Inhalt. Deshalb wenden sich fortschrittliche Kräfte und Organisationen unter starker Beteiligung der Gewerkschaften in außerparlamentarischen Protesten gegen dessen Politik. Gemeinsames Ziel ist, die aktuelle politische Prioritätensetzung daraufhin zu kritisieren, dass eine Umverteilung des - gerade in Hamburg- immensen gesellschaftlichen Reichtums möglich und der Abbau sozialer und demokratischer Errungenschaften in Arbeit, Bildung, Kultur und Fürsorge somit gestoppt wird. Hieran kann angeknüpft werden, wenn es gerade seitens der Hochschulmitglieder gilt, die Notwendigkeit einer weit über die Abmilderung gesellschaftlicher Ungleichheit hinausgehenden Perspektive humanistischer Gesellschaftsentwicklung aufzuzeigen und mit anderen durchzusetzen.

Friedliche Entwicklung, Demokratisierung und sozialer Fortschritt weltweit sind ein Gebot des Realismus. Die reale Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen muss Maßstab unserer Tätigkeit sein.

"Wer seine Lage erkannt hat - wie soll der aufzuhalten sein?"

(Bertolt Brecht)

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 1. Januar 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_41.html