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Verteidigungsfall?

Wider die Militarisierung einer sozialen Krise.

"Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschlands sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffkrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen."
Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland zwischen BRD, DDR, Frankreich, Großbritannien, UdSSR und USA (sogenannter Zwei-plus-Vier-Vertrag), Art 2 (Verbot des Angriffskrieges).

Mit dem Angriff der US-Armee und ihrer willigen Verbündeten gegen den Irak 2003 wurde die Gewaltspirale weltweit eine Runde weiter gedreht. Angesichts der täglichen Übergriffe der Besatzungsruppen, des Ausverkauf der irakischen Wirtschaft und Ressourcen an US-Konzerne und der dauerhaften Mißachtung sozialer Rechte finden religiöse, reaktionäre und kriminelle Gruppen mit ihren verzweifelten Anschlägen Zustimmung in der irakischen Bevölkerung. Mit den Attacken auf Nahverkehrszüge in Madrid 2004 und die U-Bahn in London 2005 ist diese Gewalt in die Hauptstädte europäischer Staaten zurückgekehrt, die sich am Angriffskrieg gegen den Irak beteiligt haben.

Nachdem Angela Merkel dem US-Präsidenten Bush ihre Zustimmung für seine Eskalationspolitik gegen Iran versichert hat, machen Unions-Politiker nun vermehrt mit Sorgen über solche Anschläge auch in Deutschland von sich reden. Wolfgang Schäuble begründet so schon seit Monaten erneut die alte CDU-Forderung nach einer Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren. Verteidigungsminister Fanz Josef nicht Strauß sondern Jung ging nun noch einen Schritt weiter. Gegenüber FAZ und Welt am Sonntag erklärte er, innere und äußere Sicherheit seien nicht mehr von einander zu trennen. Deshalb solle das Grundgesetzt geändert werden, so daß durch "Großschadensereignisse" wie Terroranschläge der Verteidigungsfall ausgelöst werde.

Der Ausnahmezustand "Verteidigungsfall" wurde 1968 im Rahmen der Notstandsgesetzte durch die damalige Große Koalition eingeführt. Gegen den Widerstand der zunehmenden außerparlamentarischen Opposition wurden Regelungen zur Einschränkung der Bürgerrechte und der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung sowie zum erweiterten Einsatz der Bundeswehr im Inneren ins Grundgesetz eingefügt. Solche Regelungen waren 1949 bei der Erarbeitung des Grundgesetzes ausdrücklich als Lehre aus der Notverordnungspraxis des Reichspräsidenten Hindenburg, die der faschistischen Diktatur voran ging, abgeschafft worden.

Erneut soll eine soziale Krise, die im Kern in der krassen Ungleichverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums weltweit wie innerhalb der kapitalistischen Staaten besteht, durch verstärkte Repression und Militarisierung beantwortet werden. Solange deutsche Standortpolitik darauf gerichtet ist, deutschen Konzernen die Beteiligung an der Ausplünderung anderer Weltregionen zu ermöglichen, solange die Bundesregierung einer Beteiligung an Kriegen wie dem angedrohten gegen Iran keine klare Absage erteilt, geht von deutschem Boden durchaus anderes als Frieden aus. Bereits 1968 hat außerparlamentarischer Widerstand eine Trendwende deutscher Politik erzwingen können. Dies ist in neuer Qualität notwendig. Hierbei können Bildung, Wissenschaft und Kultur einen erklecklichen Beitrag erbringen.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 15. Mai 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_405.html