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Schmus.

Und Schluß!

,,Früher ging es vor allem darum, die Ausbeutung der arbeitenden Menschen zu verhindern - heute lautet die soziale Frage: wie stellen wir sicher, dass alle Menschen erfahren, sie werden gebraucht und sie haben an der Gesellschaft teil. Die massenhafte Arbeitslosigkeit trifft uns ins Mark. Sie spaltet unsere Gesellschaft mehr und mehr, und sie verschlingt enorme Ressourcen.“
Bundespräsident Horst Köhler auf dem Gewerkschaftstag des DGB, 22. Mai 2006.

,,Wenn aber eine Kultur es nicht darüber hinaus gebracht hat, daß die Befriedigung einer Anzahl von Teilnehmern die Unterdrückung einer anderen, vielleicht der Mehrzahl, zur Voraussetzung hat, und dies ist bei allen gegenwärtigen Kultur der Fall, so ist es begreiflich, daß diese Unterdrückten eine intensive Feindlichkeit gegen die Kultur entwickeln, die sie durch ihre Arbeit ermöglichen, an deren Gütern sie aber einen zu geringen Anteil haben.“
Sigmund Freud, ,,Die Zukunft einer Illusion“, 1927.

Wir leben in klebriger Gesellschaft.

Wenn der Bundespräsident und ehemalige Weltmarkt-Deregulierer Horst Köhler die Gewerkschaften hofiert, mieft es sehr nach sehr großer Koalition. Über 5 Millionen Erwerbslose und die Angst vor Erwerbslosigkeit sowie sozialer, kultureller Desintegration sind schwer zu beschwichtigen.

Zur Richtigstellung: auch Arbeit nach tariflichem Lohn bleibt Ausbeutung, weil der Großteil des erarbeiteten Werts in die Taschen der Unternehmer fließt. Das ist nicht des Bundespräsidenten Problem. Ihn besorgt, daß jene, die nicht mal mehr zur Ausbeutung wert scheinen, sich unwohl fühlen könnten. Hat der schwarze Mann Angst bekommen? - Ja: ,,Deutschland verdankt den Gewerkschaften viel. Der soziale Frieden in Deutschland ist in hohem Maße auch ihr Verdienst. Das hat zugleich unserer Volkswirtschaft immense Kosten erspart.“ (ebd.)

Nicht ,,Deutschland“ wohl aber die Bürger und Bürgerinnen diese Landes ,,verdanken“ den Gewerkschaften den 8 Stundentag, die Abschaffung der Kinderarbeit, das Tarifrecht, betriebliche Mitbestimmung, den freien Samstag and so on. Auch an sozialen Kämpfen für Frieden, Abrüstung, Grundrechte, Gesundheit, Bildung und Kultur für alle sollen Gewerkschaften beteiligt gewesen sein. Ihre Wirksamkeit steigt, je weniger sie sich mit den Regierenden und den wirklich (Geld-)Mächtigen arrangieren. Dafür ist eine engagierte Mitgliedschaft sinnvoll.

,,Sozialer Frieden“ ist hingegen die von Adenauer bis Merkel gespannte Wortgirlande um die abverlangte massenhafte Duldung sozialer Ungleichheit und kultureller Armut. (Gegenwärtig verfügen die oberen zwei Prozent der bundesrepublikanischen Haushalte über 30 Prozent des Gesamtvermögens; die unteren 50 Prozent aber nur über knapp fünf Prozent. Sollte dies ein Sachverhalt sein, der Studiengebühren oder Kürzungen beim ALG II legitimiert?)

Je manifester jeder und jede Einzelne die gesellschaftliche Krise am eigenen Leib spürt, desto fester soll gekuschelt werden. Familie, Tugend, Nation, Fußball und andere Religionen - wer sind denn wir?

Wem hier mulmig wird, der ist auf der richtigen Spur. Geht man dem Unbehagen gemeinsam rational auf den Grund, gewinnt man Aussicht auf Vernunft und die Alternative solidarischen Handelns. Unruhe und Aufbegehren sind angebracht, ernsthafte Verständigung über Drückendes und bedenkenswerte Änderungen erforderlich: in der studentischen Interessenvertretung, in Seminaren, mit Kollegen und Freunden. Dies und die Beteiligung an außerparlamentarischen Aktivitäten weiten den Blick für die gemeinsame und damit gemeinsam veränderbare soziale Realität. So sind Einschüchterungen und Isolierung überwindbar.
Heiterkeit, Klugheit und Solidarität sind sehr praktische Angelegenheiten.
Gebührenfreiheit ist ein sinnvoller gemeinsamer Bezugspunkt.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 23. Mai 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_382.html