Menü | HomePublikationenharte zeiten › Artikel 1 einer Zeitung von harte zeiten vom

Programmatik zum Semesterbeginn

"Ich möchte Student sein, um mir einmal anhand einer Wissenschaft langsam klarzumachen, wie das so ist im menschlichen Leben."
Kurt Tucholsky, "Ich möchte Student sein", 1929.

Wie soll es sein?

Wer jetzt neugierig auf die menschliche Kultur, auf Erkenntnisse über Natur, Technik und soziales Sein ist, wer für alle nützliches Lernen und das Leben damit besser machen will, braucht eine humane Programmatik.

Denn zur Zeit regiert unter Aufsicht der rechts-konservativen Landesregierung an den Hamburger Hochschulen der Markt: Die Studierenden sollen Modelliermasse der "Wachsenden Stadt", des "Standorts", sein. So will es nicht zuletzt die Handelskammer.

Die Zulassungsverfahren sind entsprechend ein Hürdenlauf. Studiengebühren sind für das Sommersemester 2007 angekündigt. Bachelor und Kreditpunktesystem verleihen neuen Studienplänen weitgehende Ähnlichkeiten mit einem Überlebenstraining in der Wildbahn.

Die Vorfreude auf neue Erkenntnisse, einen solidarischen Studienalltag, gemeinsames Lernen und wache, vernünftige Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ist trotzdem richtig. Hier sollte man nicht bestehen wollen; hier muß verändern, wer aufrecht bleiben will.

Also: Wie soll es denn sein? Was sind die Ursachen und Interessen hinter gesellschaftlichen Krisen und Konflikten? Ist "Leistung" und das Schielen auf den Arbeitsmarkt wirklich nützlich? Wer schafft die Normen? Wem nützt die eigene Arbeit? Müssen Studium, Arbeit, Freizeit hart getrennte Lebenswelten sein? Wie ist das Leben erfreulich zu gestalten? Lernen wir für eine menschenfreundliche Zukunft?

In Frankreich protestieren Studierende gemeinsam mit den Gewerkschaften seit Wochen massenhaft gegen eine weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes durch den "Vertrag zur Ersteinstellung" (CPE) einer stramm rechten Regierung. Es wird von einem Revival der studentischen Proteste 1968 geraunt. Nur, daß so klar wie nie ist, daß es Arbeitern, Angestellten, Schülern und Studierenden um dieselbe Sache geht: um das Ende des Diktats der Ökonomie; um Reformen, die endlich diesen Namen wieder verdienen; um substantielle Verbesserungen des Sozialen und der Kultur für alle.

Hier drängt der Kampf gegen Studiengebühren, die die marktschreierische Unkultur an den Hochschulen für die Gesellschaft verewigen sollen. Die Verhinderung des Krieges gegen den Iran sollte auch gemeinsamer Bezugspunkt studentischer Aktivitäten sein.

Aufmerksame Beteiligung an den studentischen Orientierungseinheiten, (hochschul-) politisches Interesse, gegenseitige Unterstützung in solidarischen Lerngruppen und ein humorvolles Contra zu akademischem und modischem Imponiergehabe sind dafür eine gute Grundlage.

Solidarität ist das A und O einer erfreulichen Lebensweise.

"Der Mensch ist im wörtlichsten Sinne ein zoon politikon (gesellschaftliches Lebewesen), nicht nur ein geselliges Tier, sondern ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann. Die Produktion der Einzelnen außerhalb der Gesellschaft - eine Rarität, die einem durch Zufall in die Wildnis verschlagnen Zivilisierten wohl vorkommen kann, der in sich schon die Gesellschaftskräfte besitzt - ist ein ebensolches Unding als Sprachentwicklung ohne zusammen lebende und zusammen sprechende Individuen."
Karl Marx, Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, S. 616.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 27. März 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_358.html