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Zum Geleit XVII

Wer sich umdreht oder gar lacht...

1) Was ist eigentlich Erkenntnis?
,,Was bin ich? Was soll ich tun? Was kann ich glauben und hoffen? Hierauf reduziert sich alles in der Philosophie. Es wäre zu wünschen, man könnte mehr Dinge so simplifizieren; wenigstens sollte man versuchen, ob man nicht alles, was man in einer Schrift zu traktieren gedenkt, gleich anfangs so entwerfen könnte.“ (81)
Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), ,,Einfälle und Bemerkungen“, ,,Vermischte Schriften“.

Der Mensch schafft am besten sich selbst, indem er gegen rückwirkende Widerstände zivilisierend für eine höhere Kultur der Gemeinschaft kämpft. Dies tätig zu erkennen, ist wissen und hoffen in einem. Die grundlegende Rivalität zwischen Einengung und Entfaltung ist nicht entschieden. Der Sinn des Guten steht auf der richtigen Seite.
Wer traut sich, das einfache Wahre zu Ausdruck zu bringen?

2) Über den falschen Umgang mit Drohungen
,,Erste Frage: Halten Sie es für richtig, daß der Mensch nur zwei Arme, zwei Beine, Augen und Ohren hat?
Hier erntete ich zum ersten Male die Früchte meiner Nachdenklichkeit und schrieb ohne Zögern hin: ,Selbst vier Arme, Beine, Ohren würden meinem Tatendrang nicht genügen. Die Ausstattung des Menschen ist kümmerlich.‘
Zweite Frage: Wieviel Telefone können Sie gleichzeitig bedienen?
Auch hier war die Antwort so leicht wie die Lösung einer Gleichung ersten Grades. ,Wenn es nur sieben Telefone sind‘, schrieb ich, ,werde ich ungeduldig, erst bei neun fühle ich mich vollkommen ausgelastet.‘
Dritte Frage: Was machen Sie nach Feierabend?
Meine Antwort: ,Ich kenne das Wort Feierabend nicht mehr - an meinem fünfzehnten Geburtstag strich ich es aus meinem Vokabular, denn am Anfang war die Tat.‘“
Heinrich Böll, ,,Es wird etwas geschehen/Eine handlungsstarke Geschichte“, 1954.

Selbst der findig vorauseilende Gehorsam ist ein vermeidbares Schwerübel und hat bislang häufig viel Schaden angerichtet. Auf falschem Einverständnis sind schon fatale Reiche aufgebaut worden. Die Satire ist ein möglicher Modus notwendiger Distanz. Durch die geschaffene Entfernung zu den restriktiven Geboten entsteht die freundliche Nähe zur Vernunft.
Wer verbietet sich befreiende Heiterkeit?

3) Erinnern für die Zukunft
,,Der Staat selbst ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann, und der Zweck der Menschheit ist kein anderer, als der Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung. Hindert eine Staatsverfassung, daß alle Kräfte, die im Menschen liegen, sich entwickeln; hindert sie die Fortschreitung des Geistes, so ist sie verwerflich und schädlich, sie mag übrigens noch so durchdacht und ihrer Art noch so vollkommen sein.“
Flugblatt der ,,Weißen Rose“.

Sogenannte Sachzwänge haben nur Bestand durch ihre gedankliche Verdopplung, die die Handelnden zu Sklaven ihrer irrigen Auffassungen macht. Alle Irrenden halten sich dabei für originell. Der lachende Dritte dabei ist der Despot Mammon, der Vater des Krieges.
Die Quelle des Friedens ist der praktische Wille zur Erleichterung der menschlichen Existenz. Mehrheiten sind gewinnbar.
Wer hat den Mut zum eigentlichen Ernstfall?

4) Über den zuträglichen Umgang mit Drohungen
,,Der Gedanke, den wir gedacht, ist eine solche Seele, und er läßt uns keine Ruhe, bis wir ihm seinen Leib gegeben, bis wir ihn zur sinnlichen Erscheinung gefördert. Und wunderbar! der Mensch, wie der Gott der Bibel, braucht nur seinen Gedanken auszusprechen, und es gestaltet sich die Welt, es wird Licht oder es wird Finsternis, die Wasser sondern sich von dem Festland, oder gar wilde Bestien kommen zum Vorschein. Die Welt ist die Signatur des Wortes.“
Heinrich Heine, ,,Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“/Drittes Buch, 1852.

Geist und Tat bilden eine unumstößliche Einheit, wenn der gedankliche Mut zur Tat der Verbreitung von folgenreichen Einsichten wider die raunenden Zweifel gefaßt ist.
Die Verwandten im Geiste werden sich praktisch einstellen. Wer sich Gedankenfreiheit nimmt, wird sie auch anderen geben. Das Verfahren wird Verbreitung finden. Kecke Weise haben einst bemerkt, daß die Träger von richtigen Einsichten schwerlich aufzuhalten seien.
Sind hier Verlustängste angebracht?

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther
Hamburg, den 11. Januar 2006

Veröffentlicht am Mittwoch, den 11. Januar 2006, http://www.harte--zeiten.de/dokument_343.html