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Kein Märchen

Ein weiteres Studiengebührenmodell

Gutmensch Jörg Dräger bewirbt neuerdings bundesweit einen "Pakt für die Hochschulen". Gleiche soziale Zugangschancen und bis zu 6.500 Euro im Jahr für jeden Studierenden bei gleichzeitiger Behebung der Unterfinanzierung der Universitäten. Das klingt ziemlich verlockend. Hatte nicht gerade die Rechtskoalition Drägers Hochschulmodernisierungsgesetz verabschiedet, in dem 1.000 Euro Langzeitstudien- und Wohnsitzgebühren verlangt werden? Ist der markradikale Turbo-Reformer etwa zur Einsicht gekommen?
Aufgepasst bei der Märchenlektüre: Der Pakt mit dem Teufel hat immer einen Haken! Das Geld ist selbstverständlich nur geliehen. 32.500 Euro Schulden (nach fünf Jahren Studium) machen Druck für Bachelor und Master brav und fleißig zu knechten. By the way: Nach Drägers Vorstellungen bekommen die Unis jährlich schlappe 2.500 Euro Studiengebühren von dem Darlehen.

Mit diesem Studienkreditmodell macht Dräger sich die soziale Bedrängnis vieler Studierender zu nutze, denn 80 Prozent der Hamburger Studierenden jobben eh schon neben dem Studium für ihren Lebensunterhalt. Der aus finanzieller Not preisbewusste Bildungskonsument möge zügig sein Studium absolvieren, angesichts der wachsenden Verschuldung stets die spätere Rentabilität der Bildungsinvestition mitdenkend. Mit seiner "Investitionsentscheidung" richtet der Bildungsshopper seine Qualifizierung und somit die Hochschulen und ihre Fachwissenschaften an den (Arbeits-) Markterfordernissen aus. Als Gegenleistung für die Kopfprämie Studiengebühren sollen die chronisch klammen Hochschulen die Studierenden fit machen für die Konkurrenz, z.B. durch Interdisziplinarität und Exzellenz: Ein wenig Psychologie für Bewerbungsgespräch und Personalführung, ein bisschen Kultur und Sprachen zum small-talk rund ums Geschäft, ingenieur-technische Spezialisierung je nach Arbeitsmarktlage und wer von soviel alltagspraktischer Kosten-Nutzen-Denke noch nicht genug hat, legt noch ein paar zusätzliche BWL-Vorlesungen drauf. Wer ist schon gerne arbeitslos, zumal noch angesichts von
5 Millionen Arbeitslosen und drohendem Sozialabbau? So wird Druck gemacht, die eigene Qualifizierung im Interesse der Arbeitgeber zu realisieren.

Für die Banken beinhaltet Drägers Plan noch eine nette Subvention. Über 450 Mio. Euro jährlich schenkt der Staat den Banken als Zinsen, die Studierenden steuern noch mal die Zweieinhalbfache Zinslast hinzu. Mit weiteren 450 Mio. Euro springt der Staat als Zahler ein, falls durch Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlte Jobs doch mal was schief läuft. Soviel Sicherheit muss sein.
Für die jungen Akademiker schließen sich an die mageren Studienjahre (die 4.000 verbleibenden Euro im Jahr sind wahrlich nicht ausreichend) nun weitere 13 Jahre der Kreditrückzahlung an. Gewohnheitssache. So soll verzichtet werden, statt den Lebensstandard zu heben und damit die Nachfrage zu beleben. Wenn das mal nicht die Konjunktur weiter abwürgt.
Danke Hypo-Vereinsbank! Denn die sponserte dem jungen Senator seinen ersten Auftritt an der Uni.

Die Hochschulen und dort Tätigen haben für die Überwindung der Unterwerfung der Menschen und Institutionen unter das Profitdiktat des Marktes eine besondere Bedeutung. Die Behebung der Unterfinanzierung durch staatliche bedarfsdeckende Finanzierung der Hochschulen und ihrer Mitglieder, ist die bessere Investition des Staates in seine Zukunft. Schon jetzt können und müssen die Hochschulen ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen und für die Verbesserung der sozialen Lage aller Menschen forschen und lehren. Auf dieser Grundlage kann die Politik des Rechtssenates aus den Hochschulen zusammen mit fortschrittlichen Bündnispartnern aus anderen sozialen Bereichen bekämpft werden.
Für die Entwicklung demokratischer und kritischer Hochschulen, für die Entfaltung einer humanistischen Perspektive der Wissenschaften müssen Studiengebühren schon heute bekämpft werden! Deshalb rufen wir zur Unterstützung der "Kampagne gegen Studiengebühren" der Fachschaftsrätekonferenz (FSRK) auf.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 7. Juli 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_32.html