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Unternehmerisch handeln?

"Die Aktiengesellschaften sind für das Wirtschaftsleben unerläßlich: stellen sie doch die Vorzugsaktie und die Aufsichtsratstellen her. Denn jede Aktiengesellschaft hat einen Aufsichtsrat, der rät, was er eigentlich beaufsichtigen soll. Die Aktiengesellschaft haftet dem Aufsichtsrat für pünktliche Zahlung der Tantiemen. Diejenigen Ausreden, in denen gesagt wird, warum eine Aktiengesellschaft keine Steuern bezahlen kann, werden in einer sogenannten "Bilanz" zusammengefaßt."
Kurt Tucholsky, Kurzer Abriß der Nationalökonomie, 1931.

Die Bahn werde nach Hamburg kommen, triumphiert Ole von Beust. Sie kaufe Anteile an der Hamburger Hafen und Lager AG (HHLA) und der Hochbahn (HHA) und Hamburg werde der größte Logistik-Standort der Nation; ein Ziel des Wachsens der Stadt. In Berlin wird Kakao geschrieen: Mindestens 2000 Arbeitsplätze und etliche Millionen Euro Investitionen wären futsch. Die Konkurrenz der Standorte kennt nicht nur Gewinner, denn von vernünftiger gemeinsamer Entwicklung ist hier keine Rede.

Verwunderlich, wenn man feststellt, daß die beteiligten Unternehmen sämtlich in staatlicher Hand sind. Warum hat dann ein Sozialstaat öffentliche Betriebe, Einrichtungen, Unternehmen?

In zwei großen Schritten, 1918 mit der bürgerlichen Revolution und 1945 mit der Befreiung vom Faschismus, wurde die Erkenntnis durchgesetzt, daß die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung nach ihren Grundbedürfnissen für ein menschenwürdiges Leben unerläßlich ist. Wasser, Gesundheit, Strom, Wärme, Bildung, Kommunikationsmitteln, Mobilität und Güterverteilung sollten daher nicht von Gewinninteressen abhängig sein. Durch die sozialen Kämpfe der Vorjahre und unter dem Druck des Systemvergleichs mit dem Osten in der Reformzeit der 70er Jahre wurden diese Errungenschaften erheblich erweitert. So konnte geplantes und verantwortliches Wirtschaften Teilerfolge über die marktwirtschaftliche Konkurrenz erzielen.

Seit 1989 stehen öffentliche Betriebe genau deshalb unter Dauerbeschuß. Die neoliberale Ur-Lüge, was der Wirtschaft (gemeint sind die sogenannten Arbeit-"geber") nützt, nütze allen, dient als Legitimation für die Re-Privatisierung all dieser Bereiche, für Massenentlassungen, Qualitätssenkungen und schleichende Preissteigerungen. Die Bahn ist ihrem unternehmerischen Gebaren nach längst privatisiert. Mit ihrem Gang an die Börse sind Spekulationsgewinne in Aussicht gestellt. Die HHA will mit Kapital der Bahn den Nahverkehrsmarkt anderer Regionen gewinnträchtig nutzen. Die britische Erfahrung, daß die Bahn-Privatisierung die öffentliche Mobilität und die Sicherheit erheblich gefährdet, spielt höchstens rhetorisch eine Rolle. Vielmehr ruft Hamburgs CDU-Finanzsenator Peiner "zu einem fairen Wettbewerb der Länder" auf, in dem "Standortqualität und nicht Mitleid und Mißgunst" den Ausschlag geben sollen (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.11.05). - Als ginge es um Bundesjugendspiele.

Geht es aber nicht. Es geht darum, daß Geschäftemachen und allgemeine Nützlichkeit gegensätzliche Angelegenheiten sind. Darüber kann kein "Bahn-Tower" für Hamburg hinweg glänzen. Was Kenntnisse und Produktivität angeht, sind längst die Voraussetzungen vorhanden, die erweiterte Bedürfnisbefriedigung für alle Menschen in demokratischer Partizipation aller zu gewährleisten. Die Hürde dafür ist, daß das produktive Eigentum dieser Gesellschaft in der Hand einer kleinen gesellschaftlichen Minderheit liegt. Das läßt sich nur durch solidarische Kämpfe verändern. Das Engagement gegen die scheibchenweise Kommerzialisierung der Hochschulen und für ihre emanzipatorische, sozial offene und demokratische Veränderung ist darin ein entscheidendes Element. Auch, weil hierüber der unternehmerhörige CDU-Senat zu Fall gebracht werden kann. Und, weil der Inhalt der Forschung, der Lehre und des Studiums die bewußte, gemeinsame und soziale Gestaltung der menschlichen Lebensbedingungen werden muß.

Vernünftiges Handeln ist gemeinsames Handeln für alle.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 28. November 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_319.html