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Studierendenparlament der Universität Hamburg, Beschluß

ohne Titel, zu Bachelor- und Masterstudiengängen

Laut den Zulassungsunterlagen der Universität Hamburg sind in 20 Studiengängen die bisherigen Bewerbungsmöglichkeiten für Magister- und Diplomstudiengänge durch solche für Bachelor-Studiengänge ersetzt worden. Das Studierendenparlament fordert die Universitätsleitung auf, die Zulassung zu diesen Studiengängen umgehend zu stoppen und in den betreffenden Fächern entsprechend wieder für Magister und Diplom zuzulassen.

1. Das BA/MA-Modell ist Bestandteil eines derzeit europaweit hegemonialen neoliberalen Gesamtkonzepts, Bildung und damit auch die Wissenschaft umfassend der profitablen Verwertung durch das Kapital zu unterwerfen. Der Hamburger Senat - ein besonders brachialer Vertreter neoliberaler Praxis - setzt dabei für die Hochschulentwicklung wesentlich auf die folgenden drei Elemente: Fakultäten auf der institutionellen Ebene - eine Managementstruktur, die das direkte hierarchische Durchstellen von wirtschaftsdominiertem Hochschulrat über Präsidium auf die Dekane ermöglicht, Gremien sind weitgehend ausgeschaltet. BA/MA auf der Ebene der Studieninhalte - nur noch marktgerechte Module werden angeboten, mit denen der Einzelne lebenslang immer wieder sein ,,Humankapital“ auffrischen kann und so optimal verwertbar wird und bleibt. Studiengebühren auf der Ebene der Bildungssubjekte - mit dem sozialen und ideologischen Druck der Studiengebühren im Nacken sollen die Studierenden Bildung und Wissenschaft als Investition in die individuelle Karriere begreifen und so scheinbar freiwillig sich dem neuen Hochschulideal unterwerfen. Für all diese Maßnahmen gilt: forcierte Konkurrenz hat erhöhte soziale, kulturelle und ideologische Selektion beim Zugang zur Wissenschaft und Bildung zur Folge.
Diese Konzeption lehnen wir ab: Gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaft kann nicht dem Interesse einiger weniger dienen, sie muß allen nutzen.

2. Die Einführung der BA/MA-Studiengänge als Bestandteil einer kapitalkonformen Deformierung der Universität ist nur möglich als brutaler Bruch mit den fortschrittlichen Momenten der Geschichte der Hochschulentwicklung. Gegenüber der elitären und antidemokratischen feudalen Tradition der Ordinarienuniversität und der faschistischen ,,Führerhochschule“ mit kriegs-, ausbeutungs- und vernichtungsdienlicher ,,Wissenschaft“ bilden insbesondere 1945 und 1968 positive Zäsuren auch der Hochschulentwicklung, die in einer sozialen Öffnung der Einrichtungen, ihrer demokratischen Verfaßtheit und vor allem dem Anspruch eines kritischen Gesellschaftsbezugs der Wissenschaft zum Ausdruck gekommen sind. Die Geschichtsvergessenheit soll auch in diesem Zusammenhang der Kritiklosigkeit gegen eine neuerlichen Brutalisierung der Ausbeutung dienen. Dieser Geschichtsvergessenheit entspricht die Knall-auf-Fall-Einführung völlig neuer Studiengänge (In vielen der neuen Studiengänge existiert noch nicht einmal eine fertige Studienordnung). Dies lehnen wir ab: Eine Wissenschaft für menschenwürdige Entwicklung ist nur möglich im kritischen Bewußtsein der Menschheitsgeschichte.

3. Die Konzeption der profitdienlichen Hochschule, deren Bestandteil die BA/MA-Studiengänge sein sollen, stammt aus den Labors der Think-Tanks von european round table of industrialist, CHE/Bertelsmann & Co.KG. Sie entspringt nicht dem menschlichen Bedürfnis nach Erkenntnis für erweiterte Verfügung über die eigenen als gemeinsamen Lebensbedingungen. Entsprechend dieser Menschenfeindlichkeit ergeben sich bei der Umsetzung der BA/MA-Studiengänge mit den konkret vorfindlichen Menschen - den Lehrenden, Studierenden und Verwaltenden - erhebliche Schwierigkeiten. Die neuen Studiengänge sind weder studierbar noch wissenschaftlich, die Lehre wird in ein enges Korsett geschnürt, das jede weiterreichende Entwicklungsperspektive forschenden Lernens und lernenden Forschens unterbindet, die eingebauten Restriktionen erfordern einen unüberschaubaren Kontroll- also Verwaltungsaufwand. Die Fälle von ungeklärten Komplikationen sind Legion. Schon jetzt ist klar: Die BA-Studiengänge werden das Gegenteil angeblicher Zielstellungen erreichen - die Abbrecherquoten werden steigen und nicht sinken. Dies lehnen wir ab: wir wollen eine sinnvolle Studienreform.

4. Eine sinnvolle Studienreform, daß heißt: Ausgehend von den historisch konkreten Menschheitsproblemen ist eine Wissenschaft zu entwickeln, in der sich die Mitglieder der Hochschule gemeinsam dafür qualifizieren können, durch handlungsrelevante Erkenntnisse zu einer menschenwürdigen Welt beizutragen. Dies bedeutet eine Studienreform, nicht auf Grundlage einer oktroyierten Abschlußform und diktiert von privatwirtschaftlichen Akkreditierungsagenturen, sondern als Ergebnis kritischer Analyse gesellschaftlicher Entwicklungserfordernisse. Ein demokratischer Diskussionsprozeß unter Einbeziehung aller Statusgruppen, frei von ökonomischen Erpressungen durch den politischen Senat und politische Gängelung durch Wirtschaftsvertreter im Hochschulrat ist hierfür unabdingbar. Maßstäbe für eine solche Studienreform sind: soziale Offenheit und Durchlässigkeit, emanzipatorische Inhalte, ein egalitäres Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden und Interdisziplinarität.

Veröffentlicht am Donnerstag, den 7. Juli 2005, http://www.harte--zeiten.de/dokument_312.html