Menü | Home › Publikationen › BAE!: harte zeiten und Liste LINKS › Artikel 2 einer Zeitung von Liste LINKS und juso-hsg vom
Service oder Interessenvertretung?
Wesentliche Kraft für die Durchsetzung hochschulpolitischer Errungenschaften Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre (Ausbau der Hochschulen, gesellschaftskritische Wissenschaftsinhalte, Beteiligung aller Statusgruppen in der Selbstverwaltung, soziale Absicherung für Studierende) war damals die Verfaßte Studierendenschaft als linke politische Interessenvertretung der Studierenden.
Im Zuge der aktuellen „Modernisierungs“-bestrebungen zur Abwicklung dieser Errungenschaften und Privatisierung und Kommerzialisierung der Hochschulen sollen deshalb unter anderem auch die Verfaßten Studierendenschaften in ihren politischen Wirkungsmöglichkeiten soweit es geht eingeschränkt werden.
In Niedersachsen beispielsweise war in einem kürzlich öffentlich gewordenen Entwurf zur Novellierung des dortigen Hochschulgesetzes vorgesehen, die VS gleich ganz abzuschaffen. Dies wurde inzwischen - aufgrund starker Proteste sowohl der niedersächsischen, als auch der im bundesweiten Dachverband fzs (freier Zusammenschluß der Studierendenschaften) organisierten Studierendenvertretungen - wieder zurückgenommen.
In Hamburg mochte die zuständige Behörde in ihrem Entwurf zu nicht ganz so drastischen Maßnahmen greifen. Statt dessen wird darauf orientiert, die VS weitgehend zu entpolitisieren und in einen Servicebetrieb umzuwandeln.
In dem Gesetzentwurf der Hamburger BWF ist vorgesehen, die Bildung von Fachschaftsräten nicht mehr festzuschreiben. Damit wären die FSRs als politische Interessenvertrung an den jeweiligen Fachbereichen und als Möglichkeit, den unmittelbaren Kontakt zu den Studierenden zu realisieren, faktisch abgeschafft. Dies beträfe bspw. die Orientierungseinheiten, die bislang meist in Hand der FSRs liegen und in denen Erstsemester aus studentischer Perspektive über hochschulpolitische Entwicklungskontroversen und über Möglichkeiten, in diese einzugreifen, aufgeklärt werden können.
Desweiteren ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, die Aufsicht über die Ausgaben der VS von dem bisherigem Wirtschaftsrat, in dem mehrheitlich studentische Vertreter aus dem Studierendenparlament sitzen, auf den Universitätspräsidenten zu übertragen. Diesem wären so erhebliche Eingriffsmöglichkeiten in die Tätigkeit der VS eingeräumt.
Besonders deutlich wird die Serviceorientierung anhand der Regelung zur Berechtigung der VS, sich über den unmittelbar wissenschafts- und hochschulpolitische Bezug hinaus zu allgemeinpolitischen Fragen zu äußern. So sollen laut Gesetzentwurf die Gremien der VS kein politisches Mandat (PM) erhalten, sondern lediglich erlaubt sein, daß in Publikationen der VS Einzelpersonen ihre jeweilige Position zu gesellschaftspolitischen Fragen äußern können. Anstelle einer demokratischen Meinungsbildung zur Herausbildung einer Gesamtposition der VS, die als solche auch praktisch wirksam werden kann, soll die VS lediglich die Möglichkeit zum individuellen „Meinung-Haben“ anbieten.
Mit der Umsetzung dieser Entspolitisierung wäre die VS eingepaßt in das Gesamtkonzept der Hochschulen als Dienstleistungsunternehmen, die Forschung just-in-time zur unmittelbaren Profitmaximierung und Bildung als Investition in das je eigene „Humanvermögen“ anbieten.
Befördert wird die Serviceorientierung durch das Agieren der Grünen im AStA, die diese bereits umsetzen. Um hübsch repräsentativ für die studentischen „Kunden“ zu sein, wird ein Großteil der VS-Gelder für neue Computer und Möbel und das Streichen der AStA-Türen ausgegeben, wesentliche Tätigkeiten sind die Einrichtung von Wohn- und Jobbörse und das Abhalten inhaltsentleerter Campuskultur. Mit Bioessen und Fahrradwerkstatt macht AStA-Service-Center „fit“ für den Alltag und hat ansonsten zur Abfederung sozialer Härten „eine Menge Liebe zu geben.“
Entgegen dem im Gesetzentwurf angestrebten und von den Grünen bereits realisierte Kurs stünde jedoch eine (Re-)Politisierung der VS an. Wissenschaftliche Erkenntnis und Qualifikation haben zunehmend entscheidende Bedeutung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Deshalb muß sich die VS als Interessenvertretung im Wissenschaftsprozeß Tätiger Hochschul- und Wissenschaftspolitik im Kontext gesellschaftlicher Entwicklung betreiben sowie in die allgemein gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eingreifen.
So wären Aufklärung über Entwicklung statt Parties zur Feier der eigene Inkompetenz, Initiierung studentischen Widerstands statt Unterordnung, die Verknüpfung von Sozial- und Studienberatung mit Aktivitäten zur Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden statt Zustimmung zu jeder Preiserhöhung des Semestertickets und vor allem Arbeit gegen rechte Positionen an Universität und in der Gesellschaft statt Kooperation mit RCDS und Burschenschaftslisten zu realisieren.
Um eine solche Orientierung sowohl im Hamburgischen Hochschulgesetz als auch in der Tätigkeit der VS durchzusetzen, ist erforderlich, daß sich alle in der VS, in linken Hochschulgruppen, teilautonomen Referaten und Fachschaftsräten engagieren. Dieser Erfolg wäre dann auch ein Grund gemeinsam zu feiern.