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Paragraphen fallen nicht vom Himmel

Der Entwurf zum neuen Hamburgischen Hochschulgesetz (HmbHG) trifft an der Universität auf entschiedene Ablehnung

Hochschulen sollen standortdienlich, dienstleistungsorientiert, managementfähig, schlank, fit - kurz: „modern“ werden. Diesen Allgemeinplatz des Zeitgeistes pfeifen inzwischen sogar die Wissenschaftsredakteure von „Focus“ bis „Freizeit Revue“ von den Dächern. Deshalb soll ein neues HmbHG noch vor der Bürgerschaftswahl im Herbst 2001 beschlossen werden.

Seit Jahresbeginn hat die Wissenschaftsbehörde (BWF) Verfahren zur Ermittlung der an ein neues Gesetz gestellten Anforderungen („Moderierte Foren“) veranstaltet und es gab intensive Lobbyarbeit der Handelskammer als Vertretung der hamburgischen Kapitalinteressen.

Dem haben Gewerkschaften (ÖTV, GEW, DAG) ihrerseits Forderungen für eine arbeitnehmerfreundliche, auf offenen Zugang zu Hochschulbildung orientierte Reform entgegengestellt. Auch linke Hochschulgruppen und Fachschaftsräte formulierten bei den BWF-Foren ihre Kritik. Dadurch konnten Ziele der BWF nicht einfach durchgewunken werden - die Foren wurden so mehr als Demokratiesimulation. Auch die Selbstverwaltungsgremien der Universität haben sich seit dem Frühjahr mit wachsender Intensität mit der Gesetzesnovelle befaßt. Das Konzil faßte hierzu diverse Beschlüsse: Insbesondere wurde die Umwandlung der Hochschulen in Stiftungen und damit ihre Herauslösung aus dem Bereich staatlicher Verantwortung abgelehnt. Ein Projekt, für das Uni-Präsident Jürgen Lüthje nichtsdestotrotz - unter Beifall der Wirtschaftslobby - auf Empfängen und in seiner Hauspostille „Uni HH“ unverdrossen wirbt, um die Uni für private Geldgeber attraktiver zu machen. Teil seines Konzeptes ist es auch, daß Vertreter von Wirtschaftsunternehmen zukünftig mit Entscheidungsmacht in Leitungsgremien der Hochschulen Platz nehmen sollen. Dem erteilte eine deutliche, alle Statusgruppen (also Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter, Technisches- und Verwaltungspersonal, Profs) der Uni umfassende Mehrheit im Konzil eine klare Absage. Die Linie der Gremienbeschlüsse läßt sich mit der Formel beschreiben: Mehr Entwicklungsmöglichkeiten, mehr Autonomie für die Hochschule - das erfordert mehr Beteiligungsmöglichkeiten, mehr Demokratie in der Hochschule.

Die BWF hat im Juli einen Entwurf vorgelegt, der auf das Gegenteil hinausläuft: Abbau von Entscheidungsbefugnissen für die Gremien der Hochschulen, Machtvollkommenheit eines Präsidenten, der zukünftig selbst entscheiden soll, wer seine Stellvertreter sind ( „Wahl“ nur noch nach Vorschlagsrecht des Präsidenten), Abschaffung der inhaltlich gestaltenden Ausschüsse und der Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Fachbereichen bis hin zur möglichen Auflösung von Selbstverwaltungseinheiten (Fachbereichen, Instituten), massive Verschlechterung der Lage der Verfaßten Studierendenschaft (die Interessenvertretungen der Studierenden in den Fachbereichen - FSRe - stehen auf der Abschußliste!), erhöhter Konformitätsdruck durch die Einführung weiterer Restriktionen im Studium...

Erfreulich ist allerdings, daß demzufolge auch der Unwillen in den Gremien, „dem Schicksal seinen Lauf“ zu lassen, erheblich ist und Gegenwehr mit Schwung organisiert wird. Auf Initiative von Gremienstudis aus juso-hsg&fachschaftsaktive und Liste LINKS wird in so nicht bekannter Kooperation aller Statusgruppen eine kritische Bewertung des Behördenentwurfes zum HmbHG und die Erstellung eines Alternativentwurfes1 erarbeitet. Dies bedeutet nicht, daß die Uni alles beim Alten belassen will. Vielmehr geht es darum, staatlich zu gewährleisten, daß Bildung und Wissenschaft ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden können. Dafür bedarf es der Stärkung der Verfaßten Studierendenschaften, des Ausbaus der Mitbestimmungsmöglichkeiten aller an den Hochschulen Tätigen und der Erweiterung der Möglichkeiten einer eigenständigen Studienorganisation, um stärkeren kritischen Gesellschaftsbezug in Bildung und Wissenschaft zu ermöglichen (siehe auch studentischer Vorschlag für eine Präambel der Universitäts-Stellungnahme).

Damit dieser Anspruch im novellierten HmbHG verwirklicht wird, muß das Konzil - höchstes Gremium der Uni - eine entsprechende Stellungnahme zum Referentenentwurf in seiner öffentlichen Sitzung am 27. September beschließen.

Auch an anderen Hochschulen gibt es vor allem von Studierenden massive Kritik am Gesetzesentwurf. Deshalb nimmt die Landes-Asten-Konferenz (LAK) - Koordinierungsgremien der Asten aller Hamburger Hochschulen - zur HmbHG-Novelle mit derselben Orientierung Stellung. Die LAK stellt diese Stellungnahme auf einer öffentlichen Sitzung, zu der auch die ‚Wissenschafts'senatorin Krista Sager geladen wird, vor.

Damit ist natürlich nicht alles gewonnen. Worum es weiter gehen muß, ist - auf Grundlage der Konzilsbeschlüsse und der Stellungnahmen der Studierenden sowie der Gewerkschaften - in die weiteren Gesetzesberatungen der Bürgerschaft einzugreifen. Denn Paragraphen fallen nicht vom Himmel. Sie werden gemacht und wir linken Studierenden haben nicht vor, wie die Lämmer zu warten, bis wir unsere Universität nicht mehr wiedererkennen.

Eine Synopse von Referentenentwurf und Alternativentwurf wird demnächst auf den Homepages der juso-hsg und der Liste LINKS zum download bereitstehen (s.u.)

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Freitag, den 1. September 2000, http://www.harte--zeiten.de/artikel_299.html