Menü | HomePublikationenBAE!: harte zeiten und Liste LINKS › Artikel 1 einer Zeitung von Liste LINKS und juso-hsg vom

Teil 1/2 einer Zeitung

Die Inquisition.

"Am Eingang der Kirche empfing die Geistlichkeit von San Domingo den Großinquisitor und sein Gefolge. Unmittelbar hinter Lorenzana schritt der Vorsitzende des Heiligen Tribunals der Hauptstadt, Doktor Don José de Quevedo, sowie die drei Ehrensekretäre, Granden der Ersten Reihe alle drei, dann die sechs amtierenden Sekretäre, unter ihnen Don Diego, der Abate. Die Gäste, als der Zug die Kirche betrat, knieten nieder."
Lion Feuchtwanger, "Goya oder der arge Weg der Erkenntnis", 1951.

"Es war die Zeit, wo, wie Hegel sagte, die Welt auf den Kopf gestellt wurde, zuerst in dem Sinn, daß der menschliche Kopf und die durch sein Denken gefundnen Sätze den Anspruch machten, als Grundlage aller menschlichen Handlungen und Vergesellschaftung zu gelten; dann aber später auch in dem weitern Sinn, daß die Wirklichkeit, die diesen Sätzen widersprach, in der Tat von oben bis unten umgekehrt wurde."
Friedrich Engels, "Herrn Eugen Dürings Umwälzung der Wissenschaft", 1878.

Wissenschaftssenator Dräger hat sie gerufen: die Gesandten des Kapitals. Unter der Führung der Unternehmensberatung McKinsey prüfen derzeit Vertreter von Bertelsmann, BMW, British American Tobacco und eine handvoll mehr als externe "Experten"-Kommission das Hamburger Hochschulwesen. Was den Grundsätzen neoliberaler Politik - Deregulierung, Kommerzialisierung, Privatisierung - widerspricht, soll gebrandmarkt und eliminiert werden.

Dem Anliegen einiger Mitglieder der Hochschulen, zur Urteilsfindung der Experten beizutragen mochte die Kommission nur widerwillig Rechnung tragen. So konnten schließlich jeweils Repräsentanten der Geistes-, der Sozial- und der Naturwissenschaften in insgesamt drei Anhörungen bei dem Vorzeigevorsitzenden der Kommission, Herrn Ex-Bürgermeister Klaus von Donhanyi, vorsprechen. Hier mußten sie Rede und Antwort stehen: Wofür erlaubt Ihr Euch ineffiziente Gremien demokratischer Selbstverwaltung, warum unterhaltet Ihr Hamburger neben dem universitären wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich die mit sozialem Schnickschnack verbrämte Hochschule für Wirtschaft und Politik, wieso quält Ihr Hamburgs angehende Lehrer mit einer vollwissenschaftlichen Lehre in Pädagogik und Unterrichtsfächern, wer hat Euch in Magisterstudiengänge integrierte Bachelorabschlüsse, die ihren Sinn als Selektionsmechanismus nicht erfüllen, erlaubt? Mit der Botschaft "Hier sind wir offenbar unterschiedlicher Meinung" durften die Hochschulmitglieder das Verhör wieder verlassen.

Die Kommission hat ihren Bericht für die vorlesungsfreien Zeit im Februar angekündigt, man hofft auf die Abwesendheit potentiell protestierenden Studentenpöbels. Wie das Urteil ausfallen wird, ist schon jetzt deutlich: externer Hochschulrat und wenige "Führungspersonen" müssen die Selbstverwaltungsgremien ersetzen, Fachbereiche und Institute müssen gestrichen und zusammengelegt werden, technische und Verwaltungsarbeit muß "outgesourced" werden, Studiengebühren sollen die Studierenden disziplinieren, wissenschaftliche Qualifikation darf nur noch einer kleinen "Elite" vorbehalten bleiben - das Portal des Hauptgebäudes erhält die Inschrift "Der Dienstleistung, dem Standort, dem Profit".

Die Anbetung neoliberaler Ideologie wird immer lächerlicher, die Ehrfurcht vor ihren Apologeten immer unangebrachter. Die Hochschule und ihre Gremien tun gut daran, ihre in der Stellungnahme gegen das Hochschulmodernisierungsgesetz und in der Grundordnungsdebatte entwickelten Positionen offensiv gegenüber dem Senat zu vertreten. Kooperation statt Konkurrenz; kritische Erkenntnis gesellschaftlicher Zusammenhänge für die Praxis humanistischer Veränderung statt Marktservilität und Verwertungsterror; Bildung und soziale Absicherung für alle statt Elitenbildung; demokratische Hochschule statt Managementdespotie und Dienstleistungskultur - nach diesen Maßstäben sollte die universitäre Wirklichkeit umgekrempelt werden. Dafür bedarf es einer starken kritischen Verfassten Studierendenschaft, sowie vehement fortschrittlich agierender studentischer Vertreter in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Samstag, den 4. Januar 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_286.html