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Kritischer Verstand oder Untertanenglück?

"Worauf es für jeden persönlich ankommt, ist nicht, daß wir in der Welt wirklich viel verändern, sondern daß wir uns ein Lebensgefühl schaffen, als täten wir es."
Wolfgang Buck in "Der Untertan" von Heinrich Mann.

"Nun senkt sich auf die Fluren nieder
der Süße Kitsch mit Zucker-Ei
Nun kommen alle, alle wieder;
das Schubert-Lied, die Holz-Schalmei...
Das Bürgertum erliegt der Wucht:
Flucht, Flucht, Flucht."

Kurt Tucholsky, 1930.

Kriegsvorbereitungen, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und lametta-geschmückter Familienknatsch gehören zusammen wie Grützwurst und Apfelmus: Es paßt nicht, muß aber so. Während bis zu den Zähnen bewaffnete US-Einsatzkräfte für den Profit westlicher Öl-Magnaten sich anschicken, millionenfaches Sterben - nicht nur im Irak - einzuleiten, soll allzu vernünftiges Unbehagen der Bevölkerung in Schneegeriesel und Glockenläuten sanft wegdämmern.

Entwickelter Protest der Friedensbewegung, aber auch der Protest der Gewerkschaften, sozialer Initiativen, der Schüler und der Studierenden gegen die Brutalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Innern wie im Äußern sollen in weihnachtlicher Zwangsbehaglichkeit versinken. Derweil trommeln die Unionsparteien, rechte Presse und Arbeitgeberverbände anläßlich struktureller Absatzschwächen weiter für Krieg, totale Sozialstaatszerschlagung und antidemokratische Notverordnungspolitik. Der moderne Untertan aber hat die verdammte Pflicht, einmal im Jahr zufrieden zu sein. Keine Alternative zur Festtagsordnung?

Unterordnung beginnt, wo Übliches als Unausweichliches akzeptiert wird; Untertanengeist beginnt, wo dies verteidigt wird: Gegen jene, die die kulturellen, wissenschaftlichen, amüsanten und friedlichen Möglichkeiten der Einzelnen, ihre Lebensbedingungen durch wachen Verstand und kooperative Praxis bewußt zu verändern, nutzen.

Ja, man sollte feiern: Daß der Kampf für Reformen mit dem unbescheidenen Ziel der gleichen und freien Entfaltung Aller für allgemein nützliche gesellschaftlicher Entwicklung notwendig und auch möglich ist. Zumindest, wenn man seinen Verstand nicht zum Christbaumschmuck macht und die erfreulichen Hervorbringungen des kulturellen und wissenschaftlichen Wirkens der Menschheit auf ihren aktuellen Erkenntnisgehalt überprüft und dafür nutzt, wachsam und kämpferisch den Gegnern humanistischer Gesellschaftsentwicklung zu begegnen. Dazu laden wir ein:

"Der Untertan"
Filmabend

der juso-hochschulgruppe und der Liste LINKS

Freitag, den 20.12.2002, 19 Uhr,
Café Paranoia, VMP 8, Rm W132

Über den Film:
Die faszinierende Charakterstudie eines karrieresüchtigen Opportunisten und Reaktionärs: Der streng erzogene Sohn eines Fabrikanten in einer Kleinstadt macht schon früh die Erfahrung, daß es besser ist, sich jeder Form von Macht zu beugen und ihr zu dienen. Als Korpsstudent wird er zum kaisertreuen Patrioten, der ein Leben in Anpassung und Doppelmoral wählt. Die in der Darstellung hervorragende Verfilmung von Heinrich Manns gleichnamigem Roman ist ein scharfer politischer Angriff auf den
alten Preußengeist, die unter dem Deckmantel des historischen Rückblicks jede Art staatlicher Totalität anprangert. Menschen und Situationen sind satirisch überzeichnet, durch raffinierte Montage und Überblendungen werden Kontrastwirkungen mit aufrüttelnder Wirkung erzielt. Der reaktionären Bürgerlichkeit wird eine selbstbewußte und fortschrittliche Arbeiterklasse entgegengesetzt - ein Umstand, der von Rechts als bolschewistisches AgitProp dargestellt wurde.
Der Untertan: DDR: 1951 (BRD: 1951 bis 1957 verboten, ab 1957 in gekürzter Version), Regie: Wolfgang Staudte, 104 Min, s/w, DEFA, nach dem Roman von Heinrich Mann

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Mittwoch, den 4. Dezember 2002, http://www.harte--zeiten.de/artikel_285.html