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Bin ich ein Härtefall?

Oder über die Notwendigkeit der eigenen Wirksamkeit.

"Studiengebühren werden früher oder später kommen, auch ohne Absicherung der sozialen Verträglichkeit und ohne Nutzen für die Hochschulen."
Wissenschaftssenator Jörg Dräger "Ein Pakt für die Hochschulen" in der Süddeutschen Zeitung vom 01. Juli 2003.

"Mi-en-leh sagte: Man muß so radikal sein wie die Wirklichkeit"
Bertolt Brecht, Me-ti: Buch der Wendungen.

Jörg Dräger baut an seiner Drohkulisse: Für die renditedominierte Zurichtung der Hochschulen wurde ein neues Hochschulgesetz verabschiedet und Leitlinien als Senatsdiktat gegen die Hochschulen und ihre Mitglieder erlassen. Jetzt erhebt Dräger Studiengebühren quasi auch noch zur Naturgewalt. Wer sich brav an seinen Studienplan hält und diszipliniert herrschende Lehrmeinungen reproduziert, dem wird versprochen, er werde verschont. Leichte "Norm"-Abweichung gelte als "Härtefall", schwere "Norm"-Abweichung soll bestraft werden.

Dressur soll selbstbewußte Bildung ersetzen. Mit den Studiengebühren will Dräger Bravheit erpressen. Die Drohung mit der Übermächtigkeit der Verhältnisse soll alle dazu bringen, von der Wahrnehmung ihrer Interessen zu lassen, weil es ungefährlicher scheint. Sinnvolle Arbeit, soziale Sicherheit, kulturelle Entfaltung, gesellschaftliche Gestaltung und dafür kritische Qualifizierung sollen nicht Ziel und Inhalt des Studiums sein. Statt dessen ziele es auf die Erringung eines hohen (immer wieder verfallenden) Markwertes für die eigene Person. Wer sich hier bereit zeigt, der Erpressung nachzugeben, dürfe auf Sicherheit beim Studienabschluß, auf einen Arbeitsplatz und den Karrieresprung hoffen. Alle hoffen, wenige gewinnen. Von Erpressung zu Erpressung.

Doch wem nützt diese Erpressung? Wem nützt, wenn niemand mehr fragt, warum "Studiengebühren früher oder später kommen" (s.o.)? Wenn niemand mehr fragt, wie Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums für bedarfsdeckende Bildungsfinanzierung organisiert werden kann? Wie Frieden und sozialer Fortschritt international erreicht und Gesundheit verwirklichtes Menschenrecht wird? Wie die natürlichen Lebensgrundlagen ohne Verzicht auf Lebensqualität zu erhalten sind? Welche Kultur hier entwickelt werden soll?

Wem nützt die Unterwerfung? Drohung und Bravheit nutzen dem Kapital. Der Mensch diene dem Profit. Es lebe die Ausbeutung!

Dafür muß wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn und aufklärende, kritische Bildung für das bessere Verständnis der gesellschaftlichen und natürlichen Lebensbedingungen als Voraussetzung ihrer humanistischen Gestaltung beseitigt werden. Sollte all das gelingen:

"Bin ich wenigstens ein Härtefall?"

Für den Profit wird die Konkurrenz zwischen den Menschen politisch aufrechterhalten und verschärft - wird die Angst geschürt. Wer in Panik verfällt, ist leicht auszusaugen. Der soziale Druck steigt, je mehr dem Druck nachgegeben wird. Doch wer die Gefährdung kennt und ihre Ursachen erkannt hat, gewinnt Einsicht in die Funktion und die destruktiven Folgen der Bravheit und erkennt ihre Alternative: Wer so seine Lage erkannt hat, der kann in positivem Bezug auf erkämpfte Errungenschaften (demokratische Entscheidungsfindung für humanistische Wissenschaftsinhalte, organisierte studentische Interessenvertretung als Teil gesellschaftlicher Opposition, bedarfsdeckenden staatliche Finanzierung von Bildung und Wissenschaft) mit der Ausprägung des kritischen Gehalts von Bildung und Wissenschaft - gegen die Drohungen - tatsächliche Verbesserungen für alle verwirklichen. Dies geht nicht vereinzelt, isoliert und dadurch leicht verschreckbar.

Die positive Perspektive liegt im solidarischen Kampf für Vernunft, Erkenntnis und Aufklärung; für soziale Sicherheit, sinnvolle Arbeit und friedliche Entwicklung; für Kooperation und demokratische Auseinandersetzung; für emanzipative Bildung und kulturelle Entfaltung aller.

Dieser Senat ist die Härte. Er vertritt eine gesellschaftliche Minderheit. Er muß fallen.

Dokumentiert: Beschluß des Akademischen Senats vom 03.07.2003

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Sonntag, den 6. Juli 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_284.html