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Für ein gebührenfreies Studium
Der Rechtssenat ist zerfallen. Ein berechtigter Grund, sich kräftig zu freuen. Damit sind erhebliche Möglichkeiten eröffnet, einen umfassenden Politikwechsel in der Hansestadt herbeizuführen. Allerdings bedarf dies der klar artikulierten Kritik neoliberaler Verwertungsorientierung und weitreichender fortschrittlicher Perspektive einer starken außerparlamentarischen Bewegung.
In 2½ Jahren hat der Rechtssenat mit seinem marktradikalen Crashkurs vieles an noch weitgehend vorhandenen sozialen Errungenschaften in der Hansestadt angegriffen und zerstört. Das von Wissenschaftssenator Dräger gegen die Hochschulen und massive studentische Proteste durchgesetzte "Hochschulmodernisierungsgesetz" ist seit Anfang des Jahres in Kraft. Es sieht die Einführung von 500 Euro Studiengebühren für sog. Langzeitstudierende und Studierende, die ihren ersten Wohnsitz nicht in der "Metropolregion Hamburg" haben, ab dem Sommersemester 2004 vor. Aktuell werden die Hochschulen massiv unter Druck gesetzt, eine Gebührensatzung zu erlassen, um die "fristgerechte" Erhebung der Studiengebühren zu ermöglichen.
Studiengebühren sind als selektive "Ordnungsmaßnahme" (O-Ton Dräger) gewollt, um auch in Bildung und Wissenschaft das Warenverhältnis durchzusetzen: Der Student als "Humanressource" soll in sich selbst investieren, indem er die "Dienstleistung" Wissenschaft käuflich erwirbt, um sich später bestmöglich auf dem "Markt" verkaufen zu können. Alles, was nicht marktgerecht ist, soll so aus dem Studium verschwinden. Beabsichtigt ist die Normierung der Studierenden zur bestmöglich verwertbaren Arbeitsware. Wer sich dem brav fügt, wird - noch - von Gebühren verschont, vor allem aber mit dem Heilsversprechen einer glanzvollen "Karriere" und der Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen "Elite" belohnt. Wer sich in der Konkurrenz nicht durchsetzt, hat halt nicht ausreichend investiert!
Diese neoliberale Zurichtung der Wissenschaften wird in der Universität eindeutig abgelehnt. Das Studierendenparlament, Fachschaftsräte und eine studentische Vollversammlung haben eine "Kampagne gegen Studiengebühren" initiiert, in der gegen das Bravheitsgebot, Entsolidarisierung, verschärfte Ungleichheit, Kundenstatus und konkurrierende Karriereorientierung wissenschaftliche Kooperation, demokratische Entscheidungsfindung und allgemeiner gesellschaftlicher Nutzen der Wissenschaften vertreten und gefordert werden. Die zentralen Gremien der akademischen Selbstverwaltung haben sich unmißverständlich gegen Studiengebühren jeglicher Art und Weise ausgesprochen (Universitätsbeschlüsse gegen Studiengebühren unter www.fsrk.de, s. auch den aktuellen Beschluß für die Präambel einer Gebührensatzung).
Allerdings hat der Druck des Rechtssenates auch Wirkung gezeigt. Das Universitätspräsidium sieht sich genötigt, dem Gesetz zu entsprechen und eine Gebührensatzung rechtzeitig zu erarbeiten. Hierzu soll der Akademische Senat noch im Dezember (siehe Kasten) beraten. Auch in der Verfaßten Studierendenschaft gibt es Hochschulgruppen, die sich von Bravheit Verschonung versprechen. So schreibt die Grüne Hochschulgruppe in ihrer Selbstdarstellung: "'Dagegen sein' ist zwar zwingend notwendig, aber nur die eine Seite, denn gleichzeitig versuchen wir auch konstruktiv jedes Gestaltungspotential zu nutzen, um in Kooperation mit der Uni-Leitung das unter den bestehenden Verhältnissen bestmögliche Ergebnis für die Studierenden zu erzielen." In Übereinstimmung mit den "bestehenden Verhältnissen" werden Studiengebühren anerkannt und für die schnellstmögliche Verabschiedung einer Gebührensatzung gewirkt, um über die Sozialberatung ihre abgefederte Einführung zu ermöglichen.
Das Förderlichste für die Ausbildung ist und bleibt aber Gebührenfreiheit als Voraussetzung für wissenschaftliche Problemlösung, kritischen Gesellschaftsbezug, kooperative Persönlichkeitsentfaltung, demokratische Teilhabe und das qualifizierte Wirken für eine humanistische Gesellschaftsentwicklung.
Um diese Maßstäbe als Grundlage und Ziel politischen Engagements gegen den gesellschaftlichen Druck weiterzuentwickeln, bedarf es der gemeinsamen Einsicht in die Funktion und destruktiven Folgen der Bravheit sowie der bewußten solidarischen Kooperation in der Institution Universität.
Die Positionierung der studentischen Interessenvertretung hat hierbei hohe Bedeutung für die Haltung der gesamten Universität. Als initiierender Teil außerparlamentarischer Bewegung für eine tatsächlich demokratische und soziale Entwicklung in Hamburg, sollte man sich zumessen, ein gebührenfreies Studium als prinzipiellen Bestandteil eines neuen Regierungsprogramms durchzusetzen.
Lang anhaltende Freude ist vor allem durch eine kritische Praxis für die Verbesserung gemeinsamer Studien- und Lebensbedingungen zu erlangen.