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Die soziale Lage der Studierenden und die Solidarität mit dem Studentenwerk

,,Marx [entdeckte] das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, daß die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können; daß also die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnitts die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus der sie daher auch erklärt werden müssen - nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt.“
Friedrich Engels in seiner Grabrede für Karl Marx, MEW 19/335f.

Was soll der ganze Unsinn mit der sozialen Gleichmacherei:

Der Rechtssenat will die staatliche Förderung des Studentenwerkes mit Beginn des nächsten Jahres um 2,5 Mio. Euro halbieren. Mit den jüngst veröffentlichten Eckpunkten zur Änderung des Studentenwerksgesetzes beabsichtigt der Wissenschaftssenator, die von ihm gezielt herbeigeführte Finanznot für die Kommerzialisierung des Studentenwerks auszunutzen. Das Studentenwerk soll zukünftig unter der Verwaltung der Universität betriebswirtschaftlich geführt werden. Der von seiner ungesunden Politik sichtlich angeschlagene Senator schließt sich der Position des Centrums für Hochschulentwicklung des Politikkonzerns Bertelsmann an: ,,Hochschulen erhalten größere Autonomie und Selbstverantwortung. Dies ist eng verknüpft mit der Anforderung der Profilbildung. Traditionell galt in Deutschland die Fiktion von der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse auch im Hochschulkontext: Egal wo man studiert, man sollte überall dieselben fachlichen Möglichkeiten, Standards und sozialen Bedingungen erhalten. [...] Der Erfolg im Wettbewerb um Studierende hängt nicht nur vom Lehrangebot und den akademischen Bedingungen, sondern auch von allen anderen Komponenten der Lebensqualität ab. Darum spielen auch die SBL [Service- und Beratungsleistungen] eine Rolle.“ Das Studentenwerk soll zum Zusatzinstrument für die marktkonforme Hochschul,,reform“ umgemodelt werden. Den Studierenden würde damit der soziale Boden unter den Füßen weggezogen, um durch Druck und Angst ihre verwertungskonforme Anpassung hervorzurufen. Den Beschäftigten des Studentenwerks wird mit massiven Kündigungen, pauschaler Reduzierung der tariflichen Entlohnung um ein Drittel, Wegfall der Sonderleistungen und längeren, unregelmäßigen Arbeitszeiten gedroht. Die soziale Degradierung der Mitarbeiter soll von der Realisierung verallgemeinerbarer Ansprüche und Maßstäbe abschrecken. Aufklärende akademische Kultur ist am ehesten vereinbar mit allgemeinen Ansprüchen.

Studiengebühren, gestiegene Lebenshaltungskosten und sinkende Reallöhne tragen zur Verschärfung der ohnehin prekären Lage der Studierenden bei. Zu letzterer veröffentlicht das Deutsche Studentenwerk alle zwei Jahre eine kritische Sozialerhebung, im Sommer 2004 bereits zum 17. Mal. Dort kann und sollte man nachlesen, daß neun Zehntel der Studierenden zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes von ihren Eltern abhängig sind, in Hamburg über drei Viertel während ihres Studiums einem Lohnerwerb nachgehen müssen und nur ein Viertel in den Genuß unzureichender staatlicher Ausbildungshilfen gelangen. Weiterhin und zunehmend sind große Teile der Bevölkerung auf Grund ihrer sozialen Lage vom Studium ausgeschlossen. Dabei wurden die ehemaligen studentischen Selbsthilfeeinrichtungen zu Beginn der 70er Jahre gerade deshalb in Anstalten öffentlichen Rechts, den heutigen Studentenwerken, umgewandelt, um die sozial-liberale Bildungsexpansion zu ermöglichen. Die Qualität heutiger Massenhochschulen liegt in ihrem Anspruch, möglichst vielen Menschen kooperative, demokratische und wissenschaftliche Weltaneignung zu ermöglichen. Je besser ,,Essen, Trinken, Wohnen, Kleidung“ sind, desto besser wird die wissenschaftliche Kooperation. Es bedarf also besserer Arbeitsbedingungen, höherer Löhne, sicherer Arbeitsplätze (nicht nur) im Studentenwerk und einer bedarfsgerechten Studien- und Hochschulfinanzierung, um die Hochschulen dafür zu gestalten, daß alle Menschen studieren können. Dafür haben die Mitglieder der Universität eine solidarische Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern des Studentenwerks.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Sonntag, den 5. September 2004, http://www.harte--zeiten.de/artikel_270.html