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Dräger, der Barbar

,,Die Hauptlenkerin, die uns bei der Standeswahl leiten muß, ist das Wohl der Menschheit, unsere eigene Vollendung. Man wähne nicht, diese beiden Interessen könnten sich feindlich bekämpfen, das eine müsse das andre vernichten, sondern die Natur des Menschen ist so eingerichtet, daß er seine Vervollkommnung nur erreichen kann, wenn er für die Vollendung, für das Wohl seiner Mitwelt wirkt. Wenn er nur für sich schafft, kann er wohl ein berühmter Gelehrter, ein großer Weiser, ein ausgezeichneter Dichter, aber nie ein vollendeter, wahrhaft großer Mensch sein.“
Karl Marx, ,,Betrachtung eines Jünglings bei der Wahl eines Berufes“ (Abiturientenarbeit - Deutscher Aufsatz), geschrieben zwischen dem 10. und 16. August 1835, MEW Erg. Bd. 1, S. 594.

,,Auf der Agenda für dieses Jahr steht auch noch das Fakultätengesetz. Ich strebe an, dass Ihnen die aus meiner Sicht wichtigen Aspekte im August vorgelegt werden können und der Senat im September den Gesetzentwurf zur Diskussion freigibt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn die Hochschulen bei den anstehenden Entscheidungen über Grundordnungen oder Teilgrundordnungen zur Fakultätenbildung die Eckpunkte bzw. den Gesetzentwurf berücksichtigen würden.“
Jörg Dräger, gegenwärtig Senator für Wissenschaft und Gesundheit in Hamburg, in einem Brief vom 24.6.'04 an den Uni-Präsidenten Jürgen Lüthje; aus: Mitteilungen an den Akademischen Senat der Universität.

Der siebzehnjährige Schüler Marx war dem Senator Dräger gedanklich-humanitär weit voraus. Der parteilose Manager, der ,,nur für sich schafft“, bedient, schwimmend im neoliberalen mainstream, konservative Weltanschauung und Politik sowie wissenschaftsfeindliche Interessen.

So auch bei den Verordnungen zur Fakultätenbildung an den Hochschulen.

Die Fakultäten selbst sind ursprünglich die Zusammenfassung von Fächergruppen der Hauptwissenschaften an der elitären, sozial sehr eng gefaßten Ordinarienuniversität. Infolge der progressiven Umwandlung und Öffnung der Hochschulen nach den sozialen und kulturellen Kämpfen von 1968 wurden die Universitäten in Fachbereiche und Institute (usf.) organisatorisch gegliedert.

Der Rückgriff auf die Fakultäten entspricht aktuell dem betriebswirtschaftlichen Kalkül: Die Segmentierung der gesamten wissenschaftlichen Einrichtung in konkurrierende Großeinheiten dient der Auflösung der universitären Einheit sowie der starken Relativierung der gruppenmäßigen Mitbestimmung in der Selbstverwaltung. Ökonomisierung und Entdemokratisierung der Wissenschaften sollen die Folge sein. Dem entspricht auch die Absicht des Wissenschaftssenators, die Sozialund Geisteswissenschaften auf die Hälfte zu reduzieren. Das institutionell gefaßte und gepflegte wissenschaftliche Erbe von Geist und Kultur, die menschliche Selbsterkenntnis respektive die gestalterische Kritik der gesellschaftlichen Lebensbedingungen soll dem schnell Verwertbaren weichen. Was sich nicht rechnet, soll nicht bleiben. Dräger, der Barbar.

Dagegen ist an der Universität - auch und gerade im Akademischen Senat - kritische Erkenntnis und institutionelle Opposition für den demokratischen Zusammenhang der gesamten Einrichtung und den Erhalt der Fächer wie Fächervielfalt entwickelt und zum Ausdruck gebracht worden.

Auch wenn der Barbar, pardon: Senator, verlangt (s.o.), man solle vorauseilend gehorsam sein Gesetz erfüllen, bevor es verabschiedet sei, ist nach wie vor richtig, vernünftig zu sein zu widerstehen und nachdrücklich Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen. So wird ein Schuh draus.

Bangemachen gilt nicht.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Donnerstag, den 8. Juli 2004, http://www.harte--zeiten.de/artikel_265.html