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Widerspruch
,,Vielfach verbreitet ist die Anschauung, das Bürgertum habe die Kraft verloren, sich eine wirkliche Weltanschauung zu bilden, dies sei für das Bürgertum sehr schlecht, es sei daher emsig und verzweifelt damit beschäftigt, zu einer neuen Totalität zu gelangen. Tatsächlich zeigt die bürgerliche Wissenschaft Tendenzen dahin. Überall wird von den großen Zeiten gesprochen, die bevorstehen, wenn endlich die Physiologie und die Chemie oder die ... und die ... zusammenwachsen würden. Tatsächlich sind diese Tendenzen daran, die bürgerliche Wissenschaft zu ruinieren.“}
Bertolt Brecht, Schriften zur Politik und Gesellschaft
,,Fakultäten“, ,,Forschungskooperation“, ,,Säulen“-, ,,Matrix“- und ,,Pizzamodelle“, ,,Schools“, ,,Departments“, ,,Joint Appointments“ - mit reichlich Wortgeklingel will der Senat gestützt auf die Empfehlungen der Dohnanyi-Kommission und einzelne senatshörige ,,Dekane“ die bisher realisierte demokratische Struktur und kooperative Arbeitsweise der Universität auflösen. Dafür seien aus den Fachbereichen sechs große Fakultäten zu bilden; dies sei eine notwendige Maßnahme zur Förderung von ,,Interdisziplinarität“.
Tatsächlich: Die hohe Komplexität der gesellschaftlichen Wirklichkeit erfordert, dass entwickelte wissenschaftliche, soziale und kulturelle Erkenntnisse und Hervorbringungen die bisherigen vermeintlichen oder tatsächlichen Grenzen der Fachwissenschaften überschreiten, wenn Fortschritt erreicht werden soll.
Wessen Fortschritt? Hier stehen sich die strikt gegensätzlichen Interessen gegenüber: entweder die intensivierte Ausbeutung von Menschen und Ressourcen für den Profit Weniger oder das Mehrheitsinteresse an der allgemeinen Hebung der sozialen und kulturellen Bedingungen.
Der jetzige Senat agiert dabei einseitig entschieden: Soziale Schranken und kulturelle Hürden sollen, durch neoliberale Mythen legitimiert, verstärkt werden. Handelskammer und Konzerne werden es danken. Die Universität ist dafür zentral: Die sechs ,,neuen“ Fakultäten sollen streng an den Vorgaben des Senatsleitbildes ,,Wachsende Stadt“ ausgerichtet für den ,,Wirtschaftsstandort“ forschen und ausbilden.
Dafür sei die demokratische Einheit von Forschung und Lehre zu beseitigen, verwertungsfremde wissenschaftliche Tätigkeit soll verunmöglicht und entwickelte Fach- und Kooperationstraditionen zerschlagen werden. Dies geschieht weniger durch detailliertes staatliches Diktat und die Initiative einzelner, als durch merkantile Konkurrenzsetzung, die bei inneruniversitären ,,Entscheidungen“ (für oder wider ein Fach, für oder wider ein Studienmodell, für oder wider die Zulassung bestimmter Studierender etc.) den Anschein der Freiwilligkeit wahrt. Die Fächer und die wissenschaftlich Tätigen sollen um knappe öffentliche Mittel konkurrieren, interessierte private Forschungsförderung und Bezahlung nach ,,Leistung“ sollen umkämpft werden, die soziale und ,,leistungsorientierte“ (also bravheitsorientierte) ,,Auslese“ der Studierenden dient ebenso wie die Abwicklung aller Formen demokratischer Mitbestimmung der Durchsetzung der puren privatwirtschaftlichen Ertragsorientierung.
In neuer Qualität soll eine Kombination von Markt und Diktat in die Hochschulen eingeführt werden, die jede Wissenschaftlichkeit unter der entmenschlichenden Setzung abstrakt-wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit begräbt.
Die Alternative? Die Aufgabe humanistischer Wissenschaft ist es, eine wahre Anschauung von der Welt zu erlangen, um erkenntnisgestützt die ,,Mühsal der menschlichen Existenz“ zu verringern. Bildung, Forschung und Lehre müssen dafür vom Menschen als soziales Wesen, von der allseitigen Entwicklung seiner Bedürfnisse und von der erweiternden Verfügungstätigkeit über die Quellen des gesellschaftlichen Reichtums ausgehen. Erforderlich dafür ist: Wissenschaftliche Arbeit unbedrängt von privatwirtschaftlichen Ertragsanforderungen, sozial verantwortliches und solidarisches Lernen, die breite Partizipation bei der Bestimmung der Aufgaben und Methoden von Forschung, Lehre und Studium, die allseitige Entfaltung des Interesses der Lernenden und Forschenden und dafür die Entwicklung kooperativer Neugier aus allen Disziplinen.
Diese Alternative entsteht im Widersprechen zu den politischen Setzungen des rechten Senats in der tägliche Praxis und in dem politischen Engagement der Mitglieder der Universität.
Die universitären Strukturen müssen dies befördern.