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Friedenswissenschaft: Neugierig auf Veränderung
,,In Wirklichkeit ruft unsere eigene Aufrüstung in anderen Ländern jene Situation hervor, mit der die Anhänger unserer Rüstung ihr Programm zu begründen suchen.“
(Albert Einstein in einer Rede in New York am 27. 4. 1948)
Als im April 1957 angesichts des sich verschärfenden Gegensatzes zwischen den Systemen in Ost und West 18 Naturwissenschaftler, darunter Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich v. Weizsäcker, in der sogenannten ,,Göttinger Erklärung“ vor der atomaren Bewaffnung der Bundesrepublik warnten und erklärten, sie selbst wären nicht bereit, sich an der Herstellung, Erprobung oder am Einsatz von Atomwaffen zu beteiligen, war dies ein ungeheurer Vorgang. Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß tobte angesichts dieser Parteinahme für die Friedensbewegung, und Bundeskanzler Adenauer, der kurz zuvor noch Atomwaffen als ,,nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie“ bezeichnet hatte, mußte daraufhin einlenken und sich öffentlich für weltweite atomare Abrüstung aussprechen.
Für viele der 18 Wissenschaftler war der Schritt, sich an der politischen Debatte zu beteiligen, eine Konsequenz aus ihrer eigenen Tätigkeit während des Zweiten Weltkrieges. Unter faschistischem Kommando hatten sie - zum Glück erfolglos - die zivile wie militärische Nutzung der Atomenergie erforscht. Mit Entsetzen nahmen sie 1945 die unmenschlichen Auswirkungen der ersten Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zur Kenntnis. Die Ideologie von der unpolitischen Wissenschaft war erschüttert wie nie zuvor.
Und dennoch ist der teuflische Pakt zwischen Wissenschaftlern, die sich um Fakten, Formeln und Meßmethoden kümmern und die Entscheidung über die gesellschaftlichen Zwecke, Ziele und Nutzanwendungen ihrer Forschungen anderen überlassen, und denjenigen, die wissenschaftliche Tätigkeit auf die unmittelbaren Zwecke profitabler Interessen und Machtpolitik hart beschränken und deformieren, weiterhin und gegen die historischen Lehren wirksam. Auch heute bedeutet das Krieg und Unterentwicklung für große Teile der Menschheit.
Einer derjenigen, die diesen Selbstverkauf nie akzeptierten, war Albert Einstein, dessen Todestag sich 2005 zum fünfzigsten Mal jährt. Aus Angst vor einer deutschen Atombombe selbst einer der Initiatoren des US-amerikanischen Atombombenprogramms, setzte er sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Teil der weltweiten Friedensbewegung für vollständige Abrüstung, Entmilitarisierung und soziale Entwicklung ein. Auf die Frage, was ihn zu seiner wissenschaftlich-politischen Tätigkeit befähige, erklärte er in einem Brief 1952: ,,Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ - Die Neugier, zu erkennen, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse menschlicher zu gestalten sind, und der Mut, diese Erkenntnisse zu verbreiten, sind es, die einen Menschen zum Wissenschaftler und einen Wissenschaftler zum Menschen machen. Derart verbindliche Erkenntnis ist bewegend für ihre solidarische Realisierung.
Die Universität Hamburg besetzt in diesen Tagen die neu geschaffene, bundesweit erste und nach Carl Friedrich v. Weizsäcker benannte Professur für ,,Naturwissenschaft und Friedensforschung“. Von der Besetzung und zukünftigen Arbeit dieser Professur wird mit abhängen, inwieweit der Anspruch nach humanistischer Erkenntnis und friedensengagierter Aufklärung in der Universität verankert werden kann. Deshalb rufen wir auf, sich an den Anhörungen der Bewerber für diese Professur am 6. und 7. Januar zu beteiligen (siehe Kasten vorne).
Bewerbungsvorträge für die Carl Friedrich v. Weizsäcker-Professur ,,Naturwissenschaft und Friedensforschung“,
Fachbereich Chemie (Martin-Luther-King-Platz 6), Nordflügel der Bibliothek
Donnerstag, 6. Januar:
– 09:30 Uhr, Jürgen Altmann, Essen: ,,Akustisch-seismischer Nachweis von Raketenstarts für die kooperative Frühwarnung vor Nuklearangriff“
– 10:30 Uhr, Martin Kalinowski, Wien: ,,Messung von atmosphärischer Radioaktivität zur Verifikation von Rüstungskontrollabkommen“
– 11:40 Uhr, Götz Neuneck, Hamburg: ,,Weltraumbewaffnung und die Möglichkeiten präventiver Rüstungskontrolle“
– 12:40 Uhr, Annette Scharper, Frankfurt: ,,Nukleare Transparenz - die Voraussetzung für weitere Abrüstung“
Freitag, 7. Januar:
– 09:30 Uhr, Jan van Aken, Hamburg: ,,Neue Ansätze zur Verifikation des Biowaffen-Übereinkommens“
– 10:30 Uhr, Jürgen Scheffran, Berlin: ,,Raketen, Abwehr, Weltraumrüstung - Technische Faktoren und Möglichkeiten der Rüstungskontrolle im Weltraum“
– 11:40 Uhr, Wolfgang Liebert, Darmstadt: ,,Präventive Vermeidung von Proliferationsgefahren und der Umgang mit kernwaffenrelevanten Materialien“