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Für eine demokratische Studienreform

Oder: Ein Nein für ein Ja.

,,Die Universität überführt ihre Studiengänge bis 2009 entsprechend den Vorgaben der KMK in die neue Bachelor-Master-Struktur. [...] Die Universität strebt an, die Umstellung auf das neue Bachelor-Master-Studiensystem in folgenden Schritten zu vollziehen:
1. Wintersemester 2004/05 ->10 - 30 % der Studiengänge,
2. Wintersemester 2006/07 -> 50 - 70 % der Studiengänge,
3. Wintersemester 2009/10 -> alle Studiengänge mit akademischer Abschlussprüfung.“

Ziel und Leistungs-,,Vereinbarung“ der Universität mit der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit, 2005.

,,Würde man die Intelligenz der Werktätigen jetzt allzu sehr herabschrauben, dann könnte die Industrie nicht aufrechterhalten werden.“
Bertolt Brecht, ,,Über die Widerstandskraft der Vernunft“, 1937.

Wird die allgemeine Intelligenz durch gemeinsames Streben nach Erkenntnis für eine allgemein förderliche Gesellschaftsentwicklung emporgeschraubt, dann kann die Ausbeutung der Mehrheit durch die Minderheit nicht aufrechterhalten werden.

Der Mensch gilt der heutigen ,,Industrie“ als zur Verwertung zu veredelnder Rohstoff: qualifiziert, aber bitte nicht kritisch; eigentätig, aber bitte nicht selbstbewußt; teamfähig, aber bitte nicht solidarisch. Be your own profit center!

Das Schmalspur-Exerzierstudium ,,Bachelor“ trainiert für die Selbstausbeutung: Sechs Semester, durchgängig Prüfungen, höchstens ein Nebenfach, Besuchsverbot für andere Fächer, bei ,Zeitverzug‘ individuelle Leistungsvereinbarungen, Dauerkontrolle, Exmatrikulation. Das sind nur einige der Dressurmittel, die die ,,Akademiker von morgen“ durch die Universität jagen sollen. 7 Millionen Arbeitslose, mehr oder weniger, tun ein Übriges.

Diese real-geplanten Studienabschlüsse sind nicht einmal universitätsintern kompatibel, die verlangten Semesterwochenstunden überschreiten locker die 40, ein Teilzeitstudium gibt es nicht, Studienpläne und Prüfungsordnungen auch nicht, dafür aber garantiert mehr Betreuungsbedarf, weniger Studienbewerber, mehr Abbrecher und weniger Lehrende für noch nicht einmal entwickelte weiterführende ,,Master“-Studiengänge.

Und wer lehrt dann noch ,klassisch‘ für Diplom und Magister, wie lange soll das noch studiert werden dürfen?

26 der BA/MA-Studiengänge sollen gemäß der Ziel- und Leistungsvereinbarung der Universität mit der Dräger-Behörde zum Wintersemester die bisherigen Diplom/Magister-Studiengänge ersetzen. Wenn nicht: Geld weg, Stellen weg, kleine Fächer weg, droht die Behörde. Das zu erwartende Chaos wäre die Zerstörung der Universität. Mal wieder erweist sich der neoliberale Unterwerfungsplan als nicht realitätstauglich; nicht zuletzt, weil der Mensch ein Mensch ist - kein ,,Faktor“.

Deshalb hat der Akademische Senat am 9. Juni nicht zugunsten der Einführung dieser Studiengänge Stellung genommen. Damit sind Voraussetzungen geschaffen, daß sich die Universität insgesamt für die politische Zurückweisung dieser Erpressung und für eine echte Studienreform einsetzen kann. Aus der eigenen Geschichte ist dafür Positives aufzugreifen.

Die Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre hat auf Grundlage des erhöhten gesellschaftlichen Bedarfs wissenschaftlicher Qualifizierung und entgegen quasi-feudalem akademischen Brauch- und Braun-tum (,,Der Muff von tausend Jahren“) die soziale Öffnung der Hochschulen, die Demokratisierung ihrer Selbstverwaltung und problemkritische Forschung und Lehre erstritten. Studienreform gilt seitdem (selbst-)kritischen Geistern als ständige Aufgabe der Hochschulen: ,,Die Universität verpflichtet sich, Lehre und Studium im Hinblick auf Entwicklungen in Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur, Veränderungen in der Berufswelt sowie Folgen von Wissenschaft und Technik zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Freiheit und Kooperation in der Erarbeitung und Aneignung von Wissen sollen Grundlage der Studienreform sein. Die Durchlässigkeit, Sozialverträglichkeit, Transparenz und gesellschaftliche Verantwortung sind Grundsätze der Gestaltung von Studiengängen“, lautet der konsensuale Anspruch, den der Große Senat der Universität noch im Januar 2003 einmütig für ihre Grundordnung zusammenfaßte.

Unter dem Druck von zunächst Unterfinanzierung und später neoliberaler Marktgeilheit konnte dieser Kurs nie voll realisiert werden. Die Ursachen und Verursacher des Drucks liegen offen und erfordern bewußte Gegnerschaft.

Es ist an der Zeit. Die weltweit sozial wie kulturell destruktive Krise der Gesellschaft zu überwinden, erfordert die nutzbringende Tradierung, Vertiefung, Erweiterung und Aneignung des geistigen und kulturellen Erbes der Menschheit - von allen und für alle.

,,Universitas“ hat eine Welt-erschließende, -verbindende und -verändernde Bedeutung.

,,Intellektuelle als Handelnde werden umso stärker sein, je mehr sie gelernt haben. Sie werden auch umso einiger sein. Streitsucht und Absonderung sind die Gebrechen unzuverlässiger Intellekte. Solche sind vor der Gewalt der Machthaber noch immer zusammengebrochen: jede Eigenart war vergessen, sobald sie gefährlich wurde. Gefestigte Köpfe rollen nicht so leicht.“
Heinrich Mann, ,,Führung“, in: ,,Die neue Weltbühne“. Prag-Zürich-Paris, Nr. 7 vom 14. Februar 1935.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Sonntag, den 5. Juni 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_238.html