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Leistung und Sicherheit - "Du bist so frei"

"Wir sorgen dafür, dass sich die Leistungsbereitschaft der schweigenden Mehrheit - von der Krankenschwester bis zum Unternehmer, [...]wieder entfalten kann [...]"
(CDU/CSU-Programm)

Ein Blick ins CDU/CSU "Regierungsprogramm" macht es deutlich: alle gesellschaftlichen Bereiche, von den Schulen übers Gesundheitssystem bis zum Militär sollen "mehr leisten". Insgesamt soll dann für alle "mehr Freiheit" dabei herauskommen. Tatsächlich?

Geleistet werden soll vor allem durch "Eigeninitiative" und "Selbstverantwortung". Damit dies früh gelernt sei, wird vor allem in der Bildungspolitik auf Dressur und Konkurrenz gesetzt, damit "begabungsgerecht" Untertanen für die wirtschaftlichen Erfordernisse ausgespuckt werden. Nicht ohne Grund soll der Religionsunterricht "Orientierung geben", denn: "Es gibt keine Bildung ohne Erziehung und keine Erziehung ohne Werte". Die Leistungsanforderungen werden gesetzt, bestraft wird, wer nicht funktioniert und sich nicht gegen die anderen durchsetzt. Dazu gehört, in der Schule wie auf dem Arbeitsmarkt, die ständige Bewertung und die ständige Bedrohung mit Aussonderung (dann halt doch keinen Hochschulzugang) oder mit Entlassung.

"Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit" soll besonders belohnt werden (nicht nur hier treffen sich Schill und CDU/CSU), und darf sich ‚Elite' nennen. Der Rest, die ‚Masse', soll auf ihre unmittelbare wirtschaftliche Verwertbarkeit dressiert werden - solidarisches Handeln und die Befähigung zu kritischem Denken und Lernen sind dabei nur hinderlich.

Mehr Freiheit?

Ein Blick nach Hamburg macht deutlich, was "Eigenverantwortung" und "Selbständigkeit" z.B. im Bereich der Sozialpolitik bedeutet. Die Unternehmen sollen von der "staatlichen Gängelung" durch Sozialabgaben "befreit" werden; ebenso wie von unbefristeten Arbeitsverhältnissen, vom Recht auf Teilzeit und von starken Betriebsräten. Auch im Gesundheitsbereich soll die umfassende Konkurrenz zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen zu Gunsten einer "größeren Wahlfreiheit" über den Umfang des Versicherungsschutzes durchgesetzt werden. Das heißt: wer es sich nicht leisten kann, zahlt auch gerne weniger und muss dann allerdings auf die eine oder andere Behandlung verzichten.

Die Übertragung von sozialen Leistungen in private Verantwortung ist im Programm der Union zentrales Element zur Durchsetzung der Politik für Profit und Konkurrenz. So braucht man sich auch nicht wundern, wenn Schill bei der Hetze auf Ausländer im Bundestag aus der CDU/CSU-Fraktion Beifall erhält.

Für die Union ist nur natürlich, dass im Sinne neoliberaler Politik die breit angelegte Umverteilung von unten nach oben betrieben wird. Und so werden gesellschaftliche Konflikte weiter angeheizt werden. Der Staat soll zu Lasten sozial Benachteiligter und all derer, die auf die solidarische Absicherung eines staatlichen Sozialsystems (z.B. durch Renten, Arbeitslosengeld, Krankenversicherung...) angewiesen sind, ‚schlank' gewirtschaftet werden. Freiheit heißt hier vor allem Freiheit von sozialer Sicherheit.

Sicherheit?

Einen schwachen Staat kann sich aber nur leisten, wer selber stark genug ist, sich gegen den Rest durchzusetzen. Nur ein Ausbau von sozialer Sicherheit ist Grundlage für umfassende Sicherheit. Deshalb ist eine Bildungs- und Sozialpolitik notwendig, die es allen Menschen ermöglicht, den besten Weg für ihr Leben zu erkennen und zu gestalten, ohne ständig die Gefahr im Nacken zu spüren, dass ein Scheitern ihrer Pläne zu einem sozialen Absturz führen wird. Diese Politik muss eine solidarische und demokratische Gesellschaftsentwicklung befördern und denjenigen, die heute auf unterschiedlichste Weise diskriminiert und an den Rand gedrängt werden, eine Perspektive für ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben bieten.

Rot-Grün beschränkte sich die letzten vier Jahre darauf, die neoliberale Profitorientierung zu Gunsten ‚mehr sozialer Gerechtigkeit' abzumildern, statt sie zu bekämpfen. Der Versuch eines abgemil
derten und stabilen Kapitalismus ist jedoch, angesichts der globalen Zuspitzung und Brutalisierung der Verhältnisse, aussichtslos. Krisen an den Börsen, steigende Arbeitslosigkeit und verschärfte gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die in kriegerischen Auseinandersetzungen wie in Jugoslawien und Afghanistan ihren Ausdruck finden, machen deutlich, dass eine Zivilisierung der Lebensbedingungen im Rahmen der bestehenden Verhältnisse kaum noch möglich ist. Statt
dessen ist eine gerechte und demokratische Weltordnung unbedingt notwendig. Krieg oder Frieden ist eine Grundsatzentscheidung; umfassende gesellschaftliche Konkurrenz oder solidarisches Miteinander die dazugehörige zweite.

Es kommt auf uns alle an, gesellschaftlichen Druck für Frieden und soziale Entwicklung zu entfalten. Dann kann auch Rot-Grün sich nicht weiter darauf beschränken, soziale Ungerechtigkeit etwas abzumildern, sondern muss tatsächlich ein Gegenmodell zur herrschenden Profitorientierung und Marktfixierung gegen diejenigen durchsetzen, die von Krieg, Ausbeutung und Ungleichheit profitieren.

Zivile Konfliktlösung, sozialer Fortschritt, solidarische Kooperation und umfassende Demokratisierung zu erwirken, setzt voraus den Vormarsch der Rechten zu beenden. In Deutschland heißt dass, Stoiber zu verhindern.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 3. September 2002, http://www.harte--zeiten.de/artikel_223.html