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zivil = sozial

oder: Warum es ein Erfolg ist, daß in Frankreich die EU-Verfassung abgelehnt wurde.

"Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern."
(aus Artikel 40 (3), Teil I des EU-Verfassungsvertrages)

"Alle Leute haben eine Nähmaschine, ein Radio, einen Eisschrank und ein Telefon.
Was machen wir nun? Fragte der Fabrikbesitzer.
Bomben, sagte der Erfinder. Krieg, sagte der General
Wenn es denn gar nicht anders geht, sagte der Fabrikbesitzer."

(Wolfgang Borchert, Lesebuchgeschichten)

Diesen Sonntag, wurde in Frankreich über den EU-Verfassungsvertrag abgestimmt. Da dieser Vertrag die Festschreibung einer unsozialen, neoliberalen Wirtschaftsordnung für ganz Europa bedeuten würde und im außen- und sicherheitspolitischen Teil so skandalöse militaristische Regelungen wie das weltweit für eine Verfassung einmalige Aufrüstungsgebot (s.o.) enthält, haben fast 55% der französischen Wahlberechtigten mit "Non" gestimmt. Das Scheitern der EU-Verfassung ist ein Erfolg für ein zivileres und sozialeres Europa.

Denn diese Verfassung sollte das Diktat des "freien" Marktes in Europa und weltweit weiter durchsetzen:
Die europäischen Konzerne haben vom Zusammenbruch der sozialistischen Staaten Osteuropas außerordentlich profitiert. Die Erschließung der neuen Märkte im Osten und die Abwicklung der dortigen Wirtschaft erbrachten unerhörte Profite. Die billigen Arbeitskräfte dort bilden ein ständiges Erpressungspotential gegen die Beschäftigten im Westen, das Fehlen der sozialen Systemalternative schwächt die linken Kräfte in ganz Europa und ermöglicht mittels rigorosem Sozialabbau eine gewaltige Umverteilung von unten nach oben. Wo Staaten sich widerspenstig zeigten und die Öffnung der Märkte nicht "friedlich" erzwungen werden konnte mußten eben militärische Mittel herhalten, wie im Falle Jugoslawiens.

Doch mit diesen gewaltigen Extraprofiten ist es nun bald vorbei. Die Bevölkerung - in Ost- wie Westeuropa - hat durch Lohndumping und Reduzierung von Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Rente, ...) kein Geld mehr in der Tasche, die Nachfrage bricht zusammen. Auch die öffentlichen Kassen sind durch die erheblichen Steuergeschenke an die Unternehmen leer und können die Binnennachfrage kaum noch durch Investitionen ankurbeln. Autos kaufen keine Autos.
Deshalb drängen Wirtschaftslobbyisten und rechte Parteien in ganz Europa darauf, die EU möge dem amerikanischen Beispiel folgen und durch staatliche Rüstungskäufe die Gewinnsteigerung sichern sowie mit Kriegseinsätzen die aggressiven Raubzüge auch des europäischen Kapitals in aller Welt ermöglichen. Das ist die Fortsetzung der Standortpolitik mit anderen Mitteln.

Die Alternative dazu ist eine Politik, die auf friedliche und soziale Entwicklung weltweit setzt. Anstatt den neoliberalen Markradikalismus international gewaltsam durchzusetzen, ist hier für den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme, von Bildungs- und Kultureinrichtungen, für eine höhere Besteuerung von Gewinnen und Vermögen und eine Einschränkung der politischen Macht der Konzerne durch umfassende gesellschaftliche Demokratisierung zu kämpfen. Der kompromisslose Kampf gegen Militarismus und Aufrüstung nimmt dem Kapitalismus seine letzte line of defence. So kommt auch Europa in bessere Verfassung.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 30. Mai 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_222.html