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Eine gescheiterte Konter-Reform
"Insbesondere das Hochschulrahmengesetz hat sich nicht bewährt und greift zu tief in die Länder- und Hochschulautonomie ein; beispielhaft ist hier das Studiengebührenverbot zu nennen. Daher soll die Hochschulgesetzgebung vollständig den Ländern zugeordnet werden.[...]"
(Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Memorandum zur Erneuerung des Föderalismus, Juni 2004)
Die sogenannte "Föderalismuskommission", die eine Änderung des Grundgesetzes der Bundesrepublik vorbereitete, ist am Hochschulrecht erfreulich gescheitert. Unter dem Motto, es ginge um den Wandel vom "kooperativen Föderalismus" zum "Wettbewerbsföderalismus", sollte die Konkurrenz der ,Standorte' unreguliert in der Bundesrepublik durchgesetzt und damit das ,freie' Steigen und Fallen von einzelnen Landstrichen und den dort lebenden Menschen erreicht werden. Studiengebühren seien Ländersache und dringend nötig. Druck machen sämtliche Vertreter der Großwirtschaft sowie, soweit überhaupt von diesen zu unterscheiden, die Politiker von CDU und CSU. Horst Köhler - bis vor kurzem noch Neoliberalismusmanager beim IWF, heute Bundespräsident - forderte mit Blick auf Ostdeutschland, man möge sich doch von dem ,überholten' Grundsatz der "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" verabschieden: Erneut und verstärkt soll alles dem Profitdruck anheim gestellt werden; soziale und kulturelle Zerstörung durch staatlich organisierte Entsolidarisierung trifft immer alle.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Grundgesetz und damit die föderative Verfassung der Bundesrepublik ein erheblicher, wenn auch eingeschränkter Schritt aus der Barbarei. Eingeschränkt, weil besonders die westlichen Alliierten die Restauration der kapitalistischen Ordnung durchsetzten. Sie hintertrieben in Westdeutschland die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien sowie die konsequente Entnazifizierung und Entmilitarisierung, die einzig dauerhaft neuer Verhetzung, Rüstung, Krieg und Vernichtung entgegenstehen. Eine positive Zäsur aber, weil die konsequenten Antifaschisten der Anti-Hitlerkoalition und des deutschen Widerstandes die Errichtung einer sozialen, rechtstaatlichen und friedlichen Demokratie als Verfassungsauftrag erwirken konnten.
Die Bundesrepublik sei so ein "demokratischer und sozialer Bundesstaat" (Art. 20, GG). Die Pflicht, überregional "gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" (Art. 72, GG) für alle zu ermöglichen, ist daraus abgeleitet. Beabsichtigt war damit die Entwicklung des ,Gemeinwohls' als dauernde Basis individueller Entfaltung im ,fairen Wettbewerb' staatlich zu gewährleisten. Und weil 1945 das "Nie wieder!" und die Hoffnung auf wirklich gleiche, soziale und demokratische Lebensbedingungen gesellschaftlich verankert waren, legt das Grundgesetz nicht die kapitalistische Wirtschaftordnung fest, sondern verpflichtet im Gegenteil z.B. mit der "Sozialpflichtigkeit des Eigentums" zu sozialer Verantwortung, verbietet Angriffskrieg und ermöglicht die Sozialisierung (zumindest Verstaatlichung ) relevanter Teile der Wirtschaft.
Für sozial fundierte Gleichberechtigung der Bürger im Sozialstaat, ist Bildung von zentraler Bedeutung. Nicht nur formale, sondern soziale Chancengleichheit in der Bildung ist dafür unerläßlich. Das erinnert sogar die Bundesregierung: das bundesweite Verbot von Studiengebühren ist so begründet. So platzten die Verhandlungen um die Föderalismus-Deform vermeintlich an einem Einzelpunkt, dem Hochschulrecht, der jedoch von gewaltiger Bedeutung für die Emanzipation aller ist. Union und Wirtschaft gilt schon Chancengleichheit als inakzeptabel; es fällt die Maske der Modernität, sie zeigen ihre reaktionäre Fratze.
Gesellschaftlicher Druck - beispielsweise der Studierenden - für kritische, solidarische Bildung, sozialen Fortschritt und Demokratisierung hat das Scheitern der Föderalismuskommission ermöglicht. Der neoliberale Vormarsch ist auf diesem Terrain aufgehalten.
Um ihn zu wenden, darf es nicht um mehr oder weniger Konkurrenz, sondern muß es um ihre Überwindung gehen. Erst das ermöglicht die gleiche Entfaltung aller. Ein reformpolitisches Etappenziel ist die tatsächliche Verwirklichung des grundgesetzlichen Friedens- und Sozialstaatsgebots; dafür muß historisch bewußt, also krtisch gestritten werden; dafür wiederum ist engagierte Interessenvertretung - ersichtlich gerade an den Hochschulen - unabdingbar.