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Mehr Arbeit statt Mehrarbeit
"Wenn wir zur 40-Stunden-Woche zurückkehrten, entspräche dies dem Streichen von elf Feiertagen. (...) Das brächte wirklich einen Schub für die Konjunktur und täte niemandem weh."
(Michael Rogowski, Präsident des Bundesverband der Deutschen Industrie im aktuellen FOCUS)
Mit einer enormen Ignoranz gegen die persönlichen, sozialen, wie gesellschaftlich-kulturellen Folgen tendenziell wachsender Massenarbeitslosigkeit intensivieren deutsche Manager, Unternehmer und Unions-Funktionäre ihre Attacke auf die (potentiell) abhängig Beschäftigten. Denen sind über Jahre zunehmend befristete Beschäftigung, Schleifung des Kündigungsschutzes, ein subventionierter Niedriglohnsektor, Erhöhung der Restriktionen gegen Arbeitslose, Teilprivatisierung der Daseinsfürsorge und reale Lohnsenkungen zugemutet worden. Soziale Verunsicherung, Zukunftsangst und schlechte Arbeitsbedingungen drücken daher die Mehrheit der Menschen; die Armut wächst. Rogowski nun: "Was uns gut tun würde, wären einige Nullrunden, vor allem auch im öffentlichen Dienst." (Das hier übliche Durchschnittseinkommen pro Jahr beträgt knapp 30 000 Euro; durchschnittliche Managergehälter bewegen sich zwischen 100 000 und 400 000; Ackermanns und Schremps schaffen es über die 10 Millionen im Jahr. Nullrunde gefällig?)
Arbeitszeitverlängerung und Reallohnkürzung vernichten Arbeitsplätze: Seit 1960 ist die Arbeitsproduktivität der zunächst westdeutschen nun gesamt-deutschen Bevölkerung derart gestiegen, daß das dreifache Sozialprodukt in 12 Milliarden Arbeitsstunden weniger erarbeitet wird (1960 56 Mrd. Stunden, heute 44 Mrd.). Dieser technologie-basierte Fortschritt in der Entwicklung, Herstellung und Verbreitung von Gütern wird unter der Dominanz kaum regulierter privater Ökonomie zur Geißel der gesellschaftlichen Mehrheit. Mit Arbeitsintensivierung und Entlassungen wird immer weniger Arbeitenden mehr Leistung für profitable Geschäfte abgepreßt.
Die zentralen Argumente zur Durchsetzung dieser Politik sind die angeblich zu hohen Lohnkosten, die zu hohe Gewinnbesteuerung und der internationale Wettbewerbsdruck.
Ad 1: Die Bundesrepublik bewegt sich eher am unteren Ende der Lohnstückkosten und realisiert gerade daher Rekordüberschüsse im Außenhandel, die den schwachen Binnenhandel ausgleichen helfen; weitere Senkungen würden den Binnenmarkt katastrophal belasten und die hiesigen Betriebe damit austrocknen.
Ad 2: Selbst in den USA sind die realen Unternehmenssteuern höher als in der Bundesrepublik.
Ad 3: Da der Binnenmarkt schwach ist, werden die erheblichen Gewinne nicht in den Aufbau neuer Betriebe investiert, sondern fließen vor allem in Finanzinvestitionen und die Übernahme von anderen Unternehmen. So befördern Lohnsenkungen und Gewinnsteigerungen die Konzentration der Wirtschaft. Die verbleibenden großen Fische agieren international flexibler und rücksichtsloser, so daß der internationale Konkurrenzdruck noch erhöht wird. Dies ist beschleunigt durch die politisch geschaffene Ent-Regulierung internationaler Wirtschaftsbeziehungen, die politisch re-reguliert werden kann. Gerade eine Stärkung des Binnenmarktes durch mehr Arbeitsplätze und hohe Löhne wäre hier entlastend.
Derselbe Fortschritt, der von Rogowski-Stoiber-Schremp-Koch zur weiteren Pressung der Arbeitenden genutzt werden will, ermöglicht Arbeitszeitverkürzungen und Vollbeschäftigung - wenn es gelingt, die politische Dominanz der Profithäscher zu brechen: Der Konsum kann steigen; die gesteigerte Binnennachfrage hätte positive Konsequenzen für die Konjunktur. Die hohe Beschäftigungsquote ermöglichte zudem eine Erhöhung der Einnahmen der öffentlichen Hand, für soziale Sicherungssysteme, Bildung, kulturelles Leben und vieles mehr zur Humanisierung des Alltags.
Dafür müssen sich die sozialen Gegenkräfte der Wirtschaftsmagnaten formieren. Denken, Fragen, Diskutieren, Kritisieren, Lernen - also Kämpfen ist auf der Tagesordnung.
Es ist eine Frage des politischen Systems, ob die betriebswirtschaftliche Kleingeisterei und die Despotie der Raffzähne dominieren oder das gemeinsame Interesse an menschenwürdigen, entfaltungs-fördernden Verhältnissen.