Menü | HomePublikationenharte zeiten › Artikel 1 einer Zeitung von harte zeiten vom

Das Imperium brennt

"Wer auch immer im November gewählt wird, er wird die drohende Krise angehen müssen, oder die Geschichte wird sich seiner erinnern als dem amerikanischen Nero, der fiedelte als die fiskalischen Flammen zu brennen begannen."
(Das Wall Street Journal am 11.10.2004 über das US-Haushaltsdefizit)

Das Wall Street Journal, Zentralorgan der weltweiten Finanzwirtschaft, macht sich Sorgen um den US-amerikanischen Kapitalismus, vergleicht den US-Präsidenten gar mit dem römischen Kaiser Nero, der sich - so die Legende - lieber mit höfischer Musik vergnügte, als sich um das Wohl Roms zu sorgen, als dieses durch einen großen Brand verwüstet wurde. Obgleich das Römische Reich zu dieser Zeit seine größte Ausdehnung noch gar nicht erreicht hatte, setzten Dekadenz und Cäsarenwahn doch den Beginn für den bald folgenden kulturellen und politischen Niedergang des Imperiums.

Das amerikanische Imperium steht auf tönernen Füßen. Mit radikalen Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen sowie ungeheuren Rüstungsausgaben hat George W. Bush in noch nie da gewesener Geschwindigkeit Löcher in den US-Staatshaushalt gerissen. Die brutale Umverteilungspolitik von unten nach oben führt zu gewaltigen sozialen Verwerfungen: Seit dem Amtsantritt von Präsident Bush im Jahre 2000 ist der Anteil der Armen in der US-Bevölkerung stetig gewachsen. Die Zahl der Amerikaner, die 2003 unter der offiziellen Armutsgrenze von 9000 Dollar pro Kopf und Jahr vegetieren mußten, ist um eine Million auf insgesamt 36 Million Menschen angestiegen, 16,7 Prozent der Kinder wachsen in Armut auf. Nach vier Jahren Bush sind etwa 45 Millionen US-Amerikaner ohne Krankenversicherung. Das sind 5,2 Millionen Menschen mehr als im Jahr 2000.

Vom Wachstum der US-Wirtschaft haben nur die wirklich Reichen profitiert. Die Zahl der US-Milliardäre ist von 262 im vergangenen auf 313 in diesem Jahr angestiegen. Die 400 reichsten US-Amerikaner bringen es auf ein Gesamtvermögen von 1000 Milliarden Dollar. Das ist etwa so viel, wie die 100 Millionen Amerikaner am unteren Ende der Einkommensskala zusammen besitzen. Als erster US-Präsident seit über 70 Jahren hinterlässt Bush am Ende seiner ersten Amtszeit weniger Arbeitsplätze als zu Beginn, seit seinem Amtsantritt sind allein in der privaten Wirtschaft 1,6 Million Stellen verlorengegangen.

Angesichts dieser eklatanten und für jeden erkennbaren Verschlechterungen setzen Bush und Co für ihre Wiederwahl auf Krieg und Ausnahmezustand. Die Anschläge vom 11.September 2001 lieferten ihnen die willkommene Legitimation, die Länder der Welt, in denen lukrative Rohstoffe und Absatzmärkte locken, mit Krieg zu überziehen. Die Besatzungen Afghanistans und Iraks sind ein Teil des als permanenter Krieg angelegten "Kampfes gegen den Terror" der vermeintlich "amerikanischen Werte" wie die Freiheit des Unternehmertums und die demutsvoll-eigentätige Unterordnung der Lohnabhängigen unter die forcierte Ausbeutung weltweit durchsetzen soll. Verschärfte Repressionen nach innen sollen diese Orientierung auch in den USA weiter voran treiben.

Doch auch an der Front verschwindet der stählerne Glanz dieser brutal imperialistischen Politik. Sicherheit - geschweige denn Frieden - läßt sich nicht herbeibomben, das zeigt sich erneut und offen im Irak. Die Kriegslügen zur Rechtfertigung dieser Kriege werden entlarvt, die weltweite Ablehnung der Präventivkriegsdoktrin steigt. Erste Armeeeinheiten verweigern den Befehl, wenn sie auf selbstmörderische Missionen geschickt werden und in den USA selbst wird der Ruf immer Lauter: "Bring the troops home". Der weiterhin schwankende demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry legt sich auf Drängen von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen sowie engagierten Künstlern und Intellektuellen immer stärker gegen den Irakkrieg fest. Die weltweite Friedensbewegung ist gefordert den Druck weiter zu erhöhen. Auch Rom wurde nicht in einer Nacht gestürzt.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 18. Oktober 2004, http://www.harte--zeiten.de/artikel_197.html