Menü | HomePublikationenharte zeiten › Flugblatt der juso-hsg vom

"Aló Presidente!"

Mit Mut und guter Laune zum anti-imperialistischen Venezuela

"Wer ist dieser Mann, für oder gegen den in Caracas Hunderttausende auf die Straße gehen, der sich seiner Freundschaft mit Fidel Castro rühmt, der 1999 den weltweit geächteten Saddam Hussein besuchte und der von einer Revolution redet, als ob in Berlin keine Mauer gefallen wäre?"
(Thomas Schmid in "Die Zeit" am 12. August 2004)

Venezuela ist der fünftgrößte Erdölproduzent der Welt, der viertgrößte Erdöllieferant der USA und war einst das reichste Land Lateinamerikas.
Und: Venezuela hat seit dem Jahr 2000 und unter Zustimmung von 71 Prozent der Bevölkerung die demokratischste Verfassung des lateinamerikanischen Festlandes (Anti-Korruptionsorgane, Wahlkontrolle, Elemente direkter Demokratie mit Abwahlmöglichkeit des Präsidenten und Richterwahl, soziale Grundsätze und zuverlässige Rechte der indigenen Bevölkerung). Venezuela reguliert die Wirtschaft staatlich zu Gunsten der Bevölkerungsmehrheit, verbietet die Privatisierung der Erdölförderung und investiert über die Hälfte der Erdöleinnahmen in soziale und Bildungseinrichtungen sowie in die Krankenversorgung, gewährleistet staatlich die Lebensmittelversorgung und soziale Absicherung der Armen in Stadt und Land, fördert die Alphabetisierung, stellt das Militär in den Dienst sozialen Aufbaus und forciert die Selbstorganisierung der überwiegend armen Bevölkerung. Es widersetzt sich der neoliberalen "Liberalisierungspolitik" von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank, der angedrohten Kapitalflucht sowie dem Interventionismus der Bush-Regierung, die im Nachbarland Kolumbien reichlich Streitkräfte stationiert hat und geheimdienstlich und finanziell mit der alten Machtelite Venezuelas die Zähne bleckt. In der UNO wirkt Venezuela mit Kuba gemeinsam für eine Demokratisierung der Vereinten Nationen zu Gunsten der 'südlichen Hemisphäre', für weniger militärische Aktion und für weltweite soziale Entwicklung. In der OPEC steht es für stabile, aber hohe Ölpreise, die den Förderländern den Auf- und Ausbau sozialer Leistungen ermöglichen.
Hugo Chávez ist Präsident dieses Venezuelas.
Weltweit gilt dies nach dem vermeintlichen endgültigen Sieges- und Raubzug des Kapitalismus seit 1989 als ein Weg der Hoffnung auf Frieden, soziale Gleichheit und umfassende Demokratie - was nicht alle begrüßen:

Venezuela ist ein Dorn im Auge der Oligarchien aller lateinamerikanischen Länder, des (nicht nur) US-amerikanischen Imperialismus sowie der neoliberalen Apologeten der quasi-natürlichen Globalisierung zu Bedingungen verschärfter Ausbeutung.
Die Politik von Hugo Chávez ist klar anti-neoliberal und zuweilen pro-sozialistisch. Die ihn stützende Bewegung, Patriotischer Pol (PP) genannt, reicht von Kommunisten über Organisationen der 'Indigenas' bis zu humanistischen Bürgern.
Dieses Bündnis hat mit der Niederlage der venezolanischen Opposition aus der politischen und wirtschaftlichen Elite - die sich jahrzehntelang gemeinsam am staatlichen Ölkonzern PdVSA gütlich getan hat und durch den 'pro-amerikanischen' Teil der kleinbürgerlichen Bevölkerung unterstützt wird - bei dem Referendum zur Abwahl des Präsidenten einen großen Erfolg errungen: Mit 58,25 Prozent der Stimmen und absolut 1,2 Millionen mehr Wählern als bei der Präsidentenwahl 2000 ist der Kurs der Regierung von der Bevölkerung bestätigt worden.
Und wer sind die Abgefratzten? Sicher die US-Regierung, die billig an Öl will und die amerikanischen Banken, die um die Schuldenrückzahlungen durch Venezuela bangen. Zunächst aber sind es die Unternehmerorganisationen Venezuelas, die sich u.a. um den Arbeitgeberchef Pedro Carmona gruppieren, der sich 2002 an die Macht putschte, dann als erstes die Nationalversammlung auflöste, Oppositionelle verfolgen lassen wollte wie einst Pinochet in Chile - und nach nicht ganz zwei Tagen von der Bevölkerung der Hauptstadt Caracas verjagt wurde. Oder der Oberbürgermeister von Caracas, Alfredo Peña, der einen unabhängigen Fernsehsender mittels Polizeieinsatz dichtmachen ließ und sich als Führer des großbürgerlichen "Widerstandes" geriert. Oder der frühere Präsident Carlos Andrés Pérez, zu dessen Amtszeit es keine regierungskritische Demonstration gab, bei der nicht Demonstranten von Nationalgardisten erschossen wurden und dessen Politik 1989 in einer Hungerrevolte gipfelte, an deren Ende 5000 Tote standen. Und die korrupten Chefs der bis 1998 abwechselnd regierenden Christlich-Konservativen und "Sozialdemokraten" sowie der rechten Ölgewerkschaften, die im Winter 2003 versuchten, mit einem Generalstreik die Volkswirtschaft lahmzulegen, um Chávez in die Knie zu zwingen. Diese "Demokraten" sammeln sich nun in der sogenannten Acciòn Democrática, klagen über Wahlbetrug und Despotismus von Hugo Chávez und betteln bei ihren US-amerikanischen Protektoren um Unterstützung.
Die zeigen sich jedoch zurückhaltend, weil die Unterstützung für Chávez im Lande und in den Nachbarstaaten groß und die Weltöffentlichkeit - erst recht nach dem verlogenen und verlorenen "Freiheitskrieg" im Irak - aufmerksam ist. Man befürchtet Destabilisierung, damit steigende Ölpreise und ungesicherte Lieferungen, wenn Attacken der Opposition zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen und ebenso den weiteren Verlust des internationalen Ansehens und der Unterstützung für die USA und ihren Präsidenten.
Das sei das mindeste.

In Venezuela ist weiter mit Mut und guter Laune gut voranschreiten, die verbindende Folklore zunehmend durch verbindliche Aufklärung zu ersetzen und sind die Bündnisse im Lande wie mit anderen Staaten politisch zu fundieren und auszubauen, um gegen biestige 'Contras' die soziale und kulturelle Bedürfnisbefriedigung aller voll in die solidarische Verfügung der - noch - armen Bevölkerung zu stellen.
Hier aber kann sich ein Beispiel genommen werden an der engagierten Selbstorganisierung, der gesellschaftspolitischen Reichweite der Bewegung, der scharfen Kritik an den kapitalistischen Profiteuren neoliberaler Globalisierung und imperialistischer Kriegführung, dem langen Atem gegen schärfste Angriffe und der Freude am gemeinsamen Kampf.
Das hilft auch in Venezuela.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 19. August 2004, http://www.harte--zeiten.de/artikel_190.html