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Teile und herrsche
"Die großen [Öl-]Felder im Süden ... liegen brach. Mit dem Friedensschluß zwischen Khartoum und dem rebellischen Süden Sudans ist der "Anstich" dieser Felder nur noch eine Frage der Zeit ...
Viel Geld also, das im Sudan zu verdienen ist."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.7.2004
Wie die Bilder sich gleichen: Wie zur Rechtfertigung des Krieges gegen Jugoslawien 1999 laufen heute wieder erschütternde Meldungen von vertriebenen, vergewaltigten, getöteten und hungernden Opfern - jetzt im Sudan - über alle Sender und Titelseiten. Selbst das Wort Völkermord fällt. Doch anders als in Jugoslawien herrscht im größten Land Afrikas seit 40 Jahren ein blutiger Bürgerkrieg. Erst jetzt, da nach 40 Jahren zum ersten mal eine friedliche Entwicklung in greifbare Nähe rückt, beginnt sich die Weltöffentlichkeit ernsthaft für diese Region zu interessieren.
Zwei Konflikte überlagern sich im Sudan: Der um Wasser und der um Öl.
Die Bevölkerung in der durch den Nil fruchtbaren Region im nördlichen Zentrum des Landes hat weit mehr als die im Rest des Landes von der - äußerst bescheidenen - wirtschaftlichen Entwicklung profitiert. Das soziale und kulturelle Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie ist erheblich. Aus dieser Ungleichheit speist sich ursprünglich der seit Jahrzehnten immer wieder aufbrechende, religiös und ethnisch verbrämte Krieg zwischen Nord- und Südsudan. Gleichzeitig verschärft sich im Süden und Westen des Landes durch die zunehmende Trockenheit der Konflikt zwischen nomadischen Viehzüchtern und seßhaften Ackerbauern. Bewaffnete Nomaden, verstärkt durch Kämpfer und Waffen aus den Konflikten der Nachbarstaaten, fanden in Raubzügen gegen die seßhafte Bevölkerung einen lohnenderen Lebensunterhalt als in der Viehzucht und bildeten Reitermilizen wie die heute berüchtigten Djandjawid (arabisch: unsterbliche Reiter).
Die Erkundung und Ausbeutung der sudanesischen Ölvorkommen begann bereits in den 1970er Jahren, in einer Phase relativen Friedens zwischen Nord und Süd. Obwohl die Ölfelder weitgehend im Süden des Landes liegen, kamen die wenigen Gewinne, die nicht von internationalen Konsortien abgeschöpft wurden, wiederum wesentlich den Eliten in der zentralen Region zu gute. Immer wieder nutzte und unterstützte die Regierung die Nomaden-Milizen, um die ansässige Bevölkerung im Dienste der Ölkonzerne aus den für die Förderung wichtigen Gebieten zu vertreiben. Die ständigen Übergriffe und steigenden sozialen Spannungen heizten den Bürgerkrieg wieder an.
Inzwischen sind die vorhandenen Ölvorkommen weitgehend ausgelotet und für alle Felder Förderkonzessionen an Konzerne aus allen Teilen der Welt vergeben. Für eine intensivere Ausbeutung der Lager sind stabilere Verhältnisse notwendig und entsprechend machten zahlreiche Regierungen Druck auf die Zentralregierung in Khartoum, sich mit dem Süden zu verständigen. Diese intensivierte die Verhandlungen mit den Rebellen und unterschrieb im Mai 2004 einen Friedensvertrag. Und auch für die Konflikte in der westlichen Region Dafur zeichnete sich eine Lösung ab: Anfang Juli erklärte sich die Regierung gegenüber der UNO bereit, die Djandjawid-Milizen binnen drei Monaten zu entwaffnen und Hilfslieferungen an die Flüchtlinge zu ermöglichen. Wären diese Friedensprozesse erfolgreich, so könnte sich im Sudan eine für ganz Afrika beispielhafte Entwicklung von relativ friedlichen Verhältnissen und wirtschaftlichem Aufschwung anbahnen.
Doch zu viel Stabilität ist auch nicht gut fürs Geschäft. Die internationalen Konzerne haben es in der Vergangenheit gut verstanden, die Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent profitabel zu nutzen. Ihre neokolonialen Schutzmächte sind ihnen dabei stets zu Hilfe geeilt und eine neue Phase imperialistischer Erschließung dieser Weltregion wird vorbereitet. Dem gegenüber würden im Frieden die Ansprüche an soziale Entwicklung und einem größeren Anteil an den Ölgewinnen steigen. Ein solches Beispiel friedlicher Entwicklung könnte für ganz Afrika wegweisend sein und wäre gefährlich für den Profit. Anstatt also die Friedensprozesse mit Aufbauhilfen zu unterstützen werden die Konflikte geschürt und die Intervention von "Friedens"truppen angedroht und vorbereitet, um auch weiterhin die Entwicklung bestimmen zu können.
Der Kampf für Frieden ist also vor allem ein Kampf gegen imperialistische Interventionen - seien sie militärischer oder ökonomischer Art. Es ist die Aufgabe der Friedensbewegung, der ausbeuterischen Politik der internationalen Konzerne und ihrer dienstbaren Unterstützung durch Regierungen entgegenzutreten, ein militärisches Eingreifen zu verhindern und weltweit für eine Politik der Umverteilung von oben nach unten zu wirken. Der Krieg im Sudan ist - wie so viele - ein Konflikt um die Aufteilung von Ressourcen. Er ist nur zu lösen, indem der natürliche Reichtum des Landes allen dort lebenden Bevölkerungsgruppen zugute kommt. Ausbeutung und Machtpolitik stehen dem entgegen.