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Private Law School
Wie jedes Jahr um diese Zeit: Post vom Wahlamt der Uni - „Konzilswahl“. Profilneurotiker nach Listen geordnet? Gremienfuzzis? Papierverschwendung sowieso. Was gehts mich an?
Bei den anstehenden Wahlen zum Konzil der Uni geht es um die Akademische Selbstverwaltung, die Professoren, Mitarbeiter und Studierende zu ungleichen Teilen gemeinsam gestalten. Das Konzil ist dabei das höchste Gremium, das z.B. den Präsidenten wählt und vor allem den Akademischen Senat - das Gremium, das die meisten und wesentlichsten Entschlüsse faßt. Es geht also um die Zusammensetzung von Gremien die über die Umsetzung von Sparvorgaben (Globalhaushalt), die Neuregelung der Studienorganisation, zu entscheiden haben.
Es geht also um Entscheidungen, die sich direkt auf die Studienbedingungen für alle - auch für die, die von Politik lieber nichts wissen wollen - auswirken; noch konkreter als die Bildungspolitik in Bund und Ländern.
Beispielsweise um
Private Law School
Die „Zeit-Stiftung“ läuft auf Hochtouren, allen voran Geschäftsführer Michael Göring, um in Hamburg eine private Jura-Hochschule zu gründen.
Das deutsche Recht ist in Gefahr:
„Die schwerfällige Massenuniversität ist längst nicht mehr attraktiv genug für ausländische Studenten. Dies führt bereits zu deutlichen Wettbewerbsnachteilen des deutschen Rechts gegenüber anderen Rechtssystemen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Zeit-Stiftung.
Göring weiß, daß „die Kapazitäten der staatlichen Hochschulen überlastet sind und sich diese Lage durch die laufenden Mittelkürzungen und Stellenstreichungen sogar weiter verschärfen wird.“
Aus dieser Erkenntnis wird allerdings kein Engagement der Zeit-Stiftung am bestehenden Jurafachbereich der Universität resultieren, sondern eine kleine feine Rechtshochschule, die als „eleganter Vorturner“ der „schwerfälligen Massenuniversität“ den rechten Weg weist.
Das Konzept ist verlockend, die Studierenden sollen durch ein „klar strukturiertes Studienprogramm in Kleingruppen schneller, internationaler und praxisnäher ausgebildet werden“.
Wer schnell sein will, den drängt die Zeit.
Nach nur 10 Trimestern (3 1/3 Jahren), inklusive Auslandsstudium und Schwerpunktbildung im internationalen und Wirtschaftsrecht, ist das 1. Juristische Staatsexamen zu absolvieren.
Die Schwerpunktauswahl in der „private law school“ ist beschränkt - für den Anspruch einer Elite, die sich sich in kürzester Zeit Herrschaftswissen über Wirtschaft und Recht aneignen will, aber wohl ausreichend. Eine wissenschaftliche oder gar interdisziplinären Orientierung hingegen läßt diese juristische Eliteausbildung nicht erkennen.
Zutritt zu dieser Ausbildungsstätte erhält man nach einem „knallharten Auswahlverfahren“. In einem zwei- bis dreitägigen Assessmentcenter sollen die AbiturientInnen ihre „Kompetenz“ und ihr „leadership potential“ vor führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft vorführen.
Wer bei der „law school“ Kunde werden will, muß neben dem Führungswillen zusätzlich 5.000,- DM pro Trimester als Studiengebühr mitbringen. Immerhin soll sich bei insgesamt 50.000,- DM Studiengebühren der „erhebliche Kosten verursachende private Repetitor“ einsparen lassen.
Von den rund 400 Studierenden an der „law school“ erhalten einige hochbegabte EllenbogenkämpferInnen Freiplätze, Stipendien oder Darlehen: ein bißchen Chancengleichheit für AbiturientInnen mit Führungsanspruch.
Die Anschubfinanzierung dieser Privat-Uni soll ohne die öffentliche Hand durch Studiengebühren, Stiftungsgelder und Spenden aus der Wirtschaft gewährleistet werden. Der Betrieb der „law school“ wird „durch bankverbürgte Sicherheiten für mindestens fünf Jahre garantiert werden“, versprach Göring der „taz hamburg“.
Die Wissenschaftssenatorin Krista Sager befürwortet prinzipiell einen „Qualitätswettbewerb“ und eine „Arrondisie-rung (Abrundung) des staatlichen Hochschulangebots“ durch Privathochschulen. Auch der Unipräsident Jürgen Lüthje und der Dekan der Juristen Meinhard Hilf sind in dieser Ideenphase ganz angetan von der Initiative der Zeit-Stiftung und wollen Kooperieren. In Gesprächen mit der Universität bekundete die „law school“ ebenfalls ihr Interesse an „Zusammenarbeit“: allerding nur hinsichtlich der Bibliotheken, Mensen und ProfessorInnen.
Grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Freiheit von Forschung und Lehre werden dem neoliberalen Zeitgeist untergeordnet: was zählt sind die „Wettbewerbsnachteile des deutschen Rechts gegenüber anderen Rechtssystemen“ auf dem internationalen Markt der Paragraphen.
Das verfassungsrechtliche und politische Postulat der Chancengleichheit im Bildungswesen wird bewußt ignoriert. Statt dessen wird die Schicksalhaftigkeit der individuellen Lebenssituation propagiert: wer nicht monatlich 2500,- DM zur freien Verfügung hat (Studiengebühren von 1250,- plus Lebensunterhalt von 1250,- DM) oder zum erlesenen Kreis der Hochbegabten gehört, wird vom Recht auf Bildung ausgeschloßen.
Für eine kleine finanzstarke Elite sollen Privilegien bei der Zuteilung von Bildungs- und Berufschancen geschaffen werden - dies gilt es zu verhindern!
Die juso-hsg & Fachschaftsaktive will sich deshalb im Konzil gegen eine Kooperation der Universität mit der „law school“ einsetzen und wird weiterhin kompromißlos die Demokratisierung und Chancengleichheit im Bildungswesen einfordern!
Wofür setzen wir jusos uns ansonsten ein?
Wir wollen, daß die Uni weiterhin Bildung für alle zugänglich macht. Tendenzen, zur Unterteilung in eine wissenschaftliche Elite einerseits und ein Heer akademisch ausgebildeter Heinzelmännchen für den Tagesbedarf der Wirtschaft andererseits lehnen wir entschieden ab. Denn Bildung macht Gesellschaft. Hier werden dem einzelnen Wissen und Fähigkeiten gegeben, sich unabhängig in dieser Gesellschaft zu bewegen und mitzuentscheiden - oder sie werden ihm vorenthalten. Diesem emanzipatorischen Ziel stehen nicht nur die entgegen, die offensiv für sog. „Bildungseliten“ eintreten. auch die, die gesellschaftlich bedingte Ungleichheit als gegeben hinnehmen und Umverteilung für einen Begriff aus der sozialistischen Mottenkiste halten, haben das Ziel realer Chancengleichheit von vornherein verfehlt.
In den Gremien der Akademischen Selbstverwaltung haben die Professoren der derzeitigen Gesetzeslage nach die Mehrheit. Dennoch können Studierende ein gewichtiges Wort mitreden. Dafür kommt es aber darauf an, wer in den Gremien vertreten ist. Die, die zu Semesterbeginn zu Freibier einladen (RCDS), die, die sich aus der studentischen Interessenvertretung im Studierendenparlament verabschiedet haben (Grüne Hochschulgruppe), die, die der FDP das letzte Geleit geben wollen (LUSt) oder aber die, die als Aktive des letzten Streiks, als Aktive in Fachschaften dafür stehen, beispielsweise die professorale Gremienmehrheit weiterhin massiv mit den Streikforderungen zu konfrontieren und dem bedingungslosen „Reform“-Modernismus eine linke studentische Perspektive entgegenzusetzen. Das haben wir schon in der Vergangenheit getan - ein paar praktische Beispiele aus Konzil und Akademischem Senat im letzten Jahr:
– Thema Zwangsberatung: Wir haben entscheidend dazu beigetragen, die Durchführungsverordnung zur gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsberatung für „Langzeitstudenten“ weitmöglichst zu entschärfen
– Thema Humanbiologie: Wir haben die „Rassenkunde“-Vorlesungen am Humanbilogischen Institut thematisiert und haben im AS ein Minderheitenvotum erreicht, das ihr Ende und eine Umstrukturierung und Überprüfung des Instituts fordert
– Thema Zielfindung: Wir haben erreicht, daß sich die Uni ausdrücklich mit Zielen und Inhalten von Wissenschaft auseinandersetzt. Daraus ist der Dies Academicus entstanden
– Thema Grotemeyer-Bericht: Wir haben verhindert, daß die Rationalisierungsvorgaben des Grotemeyer-Berichts unkritisch in die Praxis umgesetzt wurden
– Thema ZFI: Wir haben uns dafür eingesetzt, daß die Sprachkurse an der Uni weiterhin kostenlos bleiben
– Thema Frauenförderung: Wir haben aktiv an der Ausarbeitung und Umsetzung der Frauenförderrichtlinien mitgewirkt
– Thema Leidenberger-Institut: Wir haben uns heftig gegen den Ausverkauf des Instituts für Reproduktionsmedizin and den Schering-Konzern gewandt