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Semesterticket reformieren
Nachdem der "offen-undogmatische" AStA-Vorstand zum Jahreswechsel total pragmatisch das Semesterticket für das Wintersemester 1999/2000 gekündigt hat, stellt sich die Frage, wer diese Amokläufer eigentlich gewählt hat. Wir nicht! Jetzt reden alle darüber, wie man das Semesterticket "retten" kann. Wir auch, aber wir finden darüber hinaus, daß man dazu noch ein paar Sätze mehr verlieren muß.
Das Thema Semesterticket könnte ein Beispiel dafür sein, daß Umweltfragen durchaus nicht nur während gesellschaftlicher Schönwetterperioden aktuell sind. Im Gegenteil: hier zeigt sich, das ökologische und soziale Probleme so eng verzahnt sind, daß die einen nicht ohne die anderen zu lösen sind.
Mobilität als gesellschaftliche Notwendigkeit
Mobilität ist eine notwendige Voraussetzung dafür, daß alle Menschen gleichberechtigt an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können. Nur wer in ihrer/seiner Lebensplanung nicht mehr auf die unmittelbare Umgebung des Wohnortes beschränkt ist, hat tatsächlich eine Wahl bei der Entscheidung für einen Arbeitsplatz, für ein bestimmtes politischen Engagement, bei der Gestaltung von Freizeit und auch beim Erwerb von Bildung.
Gegenwärtig wird Mobilität vor allem durch Individualverkehr - sprich: Autos - gewährleistet. Die daraus folgenden ökologischen Probleme sind allgemein bekannt, werden in der öffentlichen Diskussion jedoch immer weniger beachtet: Luftbelastung durch Abgase, gewaltiger Energieverbrauch, Flächenversiegelung durch Straßenbau usw. Noch weit weniger wird allerdings die sozial selektive Funktion des Individualverkehrs thematisiert. Durch die Notwendigkeit ein Auto zu besitzen, wird Mobilität an den Geldbeutel gekoppelt. Wer sich das nicht leisten kann, dem bleibt nur die völlig unzureichenden und ebenfalls viel zu teuren Bus- und Bahnnetze zu nutzen, die zur Zeit aber eben keine wirkliche Alternative bieten können. Mobilität wird heute also auf ökologisch zerstörerische und sozial selektive Weise ermöglicht.
Semesterticket als Schritt zu einem umfassenden ÖPNV
Beiden Seiten dieses Problems kann zweifellos nur durch einen umfassend leistungsfähigen und allen zugänglichen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) begegnet werden. Es gehört zu den Aufgaben des Staates, dieses zu gewährleisten, denn wenn Mobilität eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist, so muß sie auch solidarisch finanziert werden.
Auf dem Weg dahin, kann das Semesterticket ein Schritt sein, denn je mehr Menschen die Busse und Bahnen des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) nutzen (und die über 40.000 Studierende an der Uni sind schon eine politisch bedeutsame Anzahl), um so mehr Druck wird entfaltbar sein, um den HVV zu einem solchen umfassenden ÖPNV auszubauen.
Dazu müßte das Semesterticket aber auch eine tatsächliche Verbesserung der Situation beinhalten. Wer teure Monatskarten durch ein teures aber obligatorisches Semesterticket ersetzt, und den Fortschritt dann darin sieht, daß so die Studierenden zu ökologischem Verhalten gezwungen werden, ob sie es wollen oder nicht, der verkennt die gesellschaftliche Realität. Denn kaum jemand verhält sich ökologisch zerstörerisch, weil es ihr/ihm Spaß macht, oder weil sie/er ein böser Mensch ist, sondern weil die gesellschaftlichen Verhältnisse es nicht anders zulassen, oder zumindest diese Tendenz forcieren.
Tatsächlich war das Semesterticket in der Vergangenheit eben durchaus keine Hilfe auf dem Weg zu einem umfassenden ÖPNV. Denn einerseits hat das Milionenpolster, das die Studierenden dem HVV verschafften, mit dazu beigetragen, daß dessen Konzept, eines immer stärker auf Profit ausgerichteten Nahverkehrs nicht in Frage gestellt wurde. Zum anderen hat das hamburger Semesterticket als teuerstes Studierendenticket der Republik neue Maßstäbe gesetzt, die jetzt als Argument für erhebliche Preissteigerungen in anderen Regionen herhalten.
Und schließlich wird die sozial selektive Funktion von Mobilität hier nur auf eine andere Ebene gehoben, denn jeweils zu Semesterbeginn annähernd 300.- DM an die Uni überweisen zu müssen, ist für all die Studierenden, die sich ihr Studium selbst finanzieren eben eine erhebliche weitere Belastung.
Semesterticket sozial reformieren.
Viele der Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, sind nur noch schwer zu korrigieren. Denn nachdem von grüner Seite immer wieder deutlich gemacht wurde, man wolle das Semesterticket um jeden (und zu jedem) Preis erhalten, ist die Verhandlungsposition der Studierenden stark geschwächt. Deshalb ist der wichtigste Teil einer sozialen Reform des Semestertickets - eine deutliche Verbilligung - sicherlich auch der schwierigste. Ein notwendiger Schritt wäre es allerdings schon mal, sich bei den Verhandlungen nicht mehr ausschließlich auf den HVV zu konzentrieren. Denn dessen Konzepte werden schließlich von politischer Seite beschlossen. Die zur Zeit aktuelle Diskussion um die Einführung eines Tickets für SozialhilfeempfängerInnen bietet in der Tat recht gute Voraussetzungen, dieses Thema erneut beim rot-grünen Senat auf den Tisch zu bringen, denn auch dieses Sozialticket ist bei weitem zu teuer. Hier ist also wie in anderen Bereichen auch das Bündnis mit Gruppen zu suchen, die über grundsätzlich vergleichbare Ziele verfügen, um sowohl bei Sozial- als auch bei Semesterticket einen sozial vertretbaren Preis zuerreichen. Zielsetzung muß dabei zum einen natürlich eine Subventionierung des Semestertickets sein. Langfristig müssen aber die gesamten Wirtschaftlichkeitsvorgaben des HVV überprüft werden.
Darüber hinaus gilt es endlich einen Sozialfonds einzurichten, aus dem diejenigen Studierenden, die die finanzielle Belastung eines Semestertickets nicht tragen können, Zuschüsse erhalten. Auch hier ist natürlich zu anzustreben, das die Kosten dafür staatlicherseits getragen werden. Kurzfristig sollte aber bereits der bestehende Härtefonds in einen solchen Sozialfonds umgewandelt werden. Aus diesem Härtfonds wird zur Zeit lediglich finanziert, daß diejenigen, die daß Semesterticket aufgrund eines Härtefalls nicht nutzen können, es zurückgeben dürfen. Statt desse ginge es darum, dieses Ticket allen zur Verfügung zu stellen, egal ob sie es sich leisten können oder nicht. Erste Anstrengungen für einen Sozialfonds gab es bereits im AStA `97 durch die Beteiligung der jusos. Anstatt diese weiterzuführten präsentierte der derzeitigen, vor allem durch die LUST-Semesterticketliste getragenen Vorstand jedoch nach Monaten der Heimlichtuerei die Kündigung des Semestertickets
Für ein soziales Semesterticket:
juso hochschulgruppe und fachschaftsaktive!
Die jusos & fachschaftsaktiven fordern:
– Semesterticket verbilligen
– Sozialfonds einführen
– ÖPNV ausbauen
Preisfrage: Wann und von wem wurde die Idee eines Semestertickets in Hamburg entwickelt?
Die Idee des Semestertickets wurde im AStA in den Jahren 1991 und 1992 von der juso-hsg entwickelt. Damals war von der Grünen Hochschulgruppe noch gar nichts zu sehen. Den jetzigen Preis haben wir allerdings den Verhandlungskünsten genau dieser GHG zu verdanken.