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Autonomie braucht Demokratie!
Neue Wissenschaftssenatorin neues Hochschulgesetz: Diese alte Regel gilt auch für Krista Sager. Doch in der Tat gibt es eine Menge, was im HmbHG verändert werden muß, will man der Entwicklung zu immer mehr Autonomie der Hochschulen Rechnung tragen. Jedoch geschieht dies zur Zeit lediglich auf Kosten staatlicher und damit wenigstens teilweise demokratisch legitimierter Steuerung, und steht somit einer demokratischen Entwicklung der Hochschule entgegen:
Präsidialdiktatur verhindern!
Führende WirtschaftsvertreterInnen predigen es schon lange, aber auch immer größere Teile der politisch Verantwortlichen inner- und außerhalb der Wissenschaftsbehörde finden Gefallen an dem Gedanken: Die Universitäten sollen zu betriebswirtschaftlichen Einheiten werden. Autonomie wird hier gleichgesetzt mit marktwirtschaftlicher Effizienz. Wie jedem (schlechten) Betrieb soll auch dem Wissenschaftskonzern Hochschule eine möglichst schlankes und machtvolles Management vorstehen, das auch gewichtige Entscheidungen schnell und eigenverantwortlich treffen kann. Diese Aufgabe würde vor allem den PräsidentInnen und FachbereichssprecherInnen (seit 97 wieder in verstaubter, autoritärer Tradition „DekanInnen“) zufallen. Diskussionen über Sinn und Unsinn grundlegender Entscheidungen über die weitere Entwicklung von Forschung und Lehre und damit auch über die weitere gesellschaftliche Entwicklung in Gremien der akademischen Selbstverwaltung wirken da nur hemmend und verzögernd.
Hochschulen erfüllen jedoch eine zentrale Funktion für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für die Wirtschaft. Denn die Entscheidung über Schwerpunktsetzungen in der Forschung ist gleichzeitig eine Aussage darüber, welche Probleme diejenigen sind, die am dringendsten einer Lösung bedürfen. Soll also ein „Studium für die Masse“ lediglich dazu dienen soll, die Studierenden möglichst schnell und zielgenau auf ihre künftige Verwertungsposition auf dem Arbeitsmarkt vorzubereiten und nur der Funktionselite von morgen ein umfassendes, wissenschaftliches und interdisziplinäres Studium – gern auch gegen Geld – ermöglichen? Oder sollen sich möglichst viele Menschen umfassende Problemlösungskompetenzen und eine große Portion Kritikfähigkeit erarbeiten können? Diese Entscheidung ist für die gesamte weitere Entwicklung unserer Gesellschaft und ihrer Demokratie von großer Bedeutung: Wollen wir uns morgen auf kleine Eliten (– und ihre eigenen Interessen –) verlassen müssen oder meinen wir es ernst mit der Demokratie und wollen möglichst viele befähigen daran gleichberechtigt teilzunehmen?
Dieses zu bestimmen darf nicht einzelnen WissenschaftsmanagerInnen überlassen werden. Wenn der Staat schon seine eigene Entscheidungskompetenz darüber abgibt, dann muß er es zumindest an demokratische Einrichtungen tun.
Konzil erhalten!
Das Konzil ist der Ort, an dem solche Grundsatzentscheidungen getroffen werden sollten. Es ist das einzige Gremium, in dem nicht das Tagesgeschäft der vielen kleinen – natürlich auch wichtigen – Entscheidungen, die die Tagesordnungen von FBRs und Akademischem Senat so häufig dominieren, eine intensive Diskussion über hochschul- und gesellschaftspolitische Fragen an den Rand drängen. Deshalb ist gerade für eine weitgehend autonome Hochschule das Konzil unverzichtbar. Bestrebungen zur Abschaffung des Konzils werden wir uns deshalb vehement entgegenstellen.
ProfessorInnenmacht brechen!
Doch natürlich ist in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung nicht alles Gold, was bisher so glänzte. Noch immer haben die ProfessorInnen in allen Entscheidungsgremien der Hochschule – so auch im Konzil – die absolute Mehrheit. Von Demokratie also keine Spur: Die kleinste Gruppe regiert den Ständestaat Universität. Das kann sich eine autonome Hochschule noch weit weniger leisten, als eine staatlich kontrollierte. Wenn mensch schon von Reformstau oder Entscheidungsverschleppung reden möchte, dann liegt er genau hier begründet. Es sind die Einzel- und Gruppeninteressen der ProfessorInnen, die das Gesicht der Universität bestimmen. Hier ist eine umfassende Demokratisierung dringend notwendig. Die beste Lösung wäre eine Viertelparität in allen Gremien der universitären Selbstverwaltung: ein Teil ProfessorInnen, ein Teil Technisches- und Verwaltungspersonal, ein Teil wissenschaftlicher Mittelbau und eine Teil Studierende. Da die Gesetzgeberin aber wohl den Gang vor das Verfassungsgericht scheuen wird, gäbe es als ersten, gelungenen Schritt noch eine andere Möglichkeit: Die sog. integrierte Wahl. Dabei würden die ProfessorInnen zwar die Mehrheit in den Gremien behalten, die Sitze, die sie mehr haben, als die übrigen Statusgruppen, würden jedoch von allen gewählt. Bsp. Konzil: Dort sitzen 61 Menschen. Studis, TVP und Mittelbau haben je 10. Von den 31 Mitgliedern der ProfesorInnen würden 10 nur von den Profs gewählt, die restlichen 21 von allen Universitätsmitgliedern. Die ProfessorInnen wären also gezwungen, in den anderen Statusgruppen für ihre Ziele zu werben und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ein wichtiger Schritt zu einer Politisierung der Universität!
Zwangsberatung abschaffen!
Es gibt neben der Frage der inneren Entscheidungsstrukturen natürlich noch andere Felder, die für uns Studierende wichtig sind. Da wäre zum Beispiel die unsägliche Zwangsberatung. Sie dienst der Selektion sogenannter Bummelstudies die nach Überschreiten der Durchschnittsstudienzeit eine Beratung machen müssen, sonst werden sie exmatrikuliert. Hier findet sich der Einstieg zur Zwangsexmatrikulation von Studierenden, die nicht genug „leisten“. Von den sozialen Bedingungen (z.B. das viele arbeiten müssen) wird vollständig abstrahiert. Stattdessen wird ihnen eine Beratung aufgedrückt, angeblich um bessere Betreuung zu gewährleisten. Wer die Betreuungssituation der Studierenden wirklich verbessern will, sollte statt dessen die Kapazitäten für Studienberatung und ein MentorInnensystem zum Studienbeginn oder in der Eingangsphase des Hauptstudiums schaffen. An einer Universität mit Lehrkräftemangel, wo mensch schon jetzt häufig wochenlang auf einen Sprechstundentermin bei einer oder einem ProfessorIn warten muß, werden die wenigen Beratungskapazitäten durch eine völlig sinnlose Zwangsberatung blockiert. Das muß ein Ende haben!
Studiengebühren verbieten!
Wie voll haben sie doch ihre Müder genommen, die Damen und Herren PolitikerInnen, als im Herbst 97 die Studierenden auf der Straße waren. Selbstverständlich würden Rote und Grüne Studiengebühren verbieten, wenn, ja wenn, wir ihnen ersteinmal zur Macht verholfen hätten. Heute scheinen sie sich nicht mehr daran zu erinnern. Zurückrudern ist angesagt. Statt bundesweitem, gesetzlichem Verbot soll es nun nur noch ein befristeter Staatsvertrag sein, statt generellem Verbot kommen Formulierungen wie „grundständiges Präsensstudium“ und dergleichen groß in Mode. Krista Sager und die rot-grüne Regierung in Hamburg kann nun zeigen, ob wenigstens sie es ernst gemeint haben, damals, als alle die Studierenden so lieb hatten. Studiengebühren – auch für Aufbaustudiengänge – bedeuten soziale Spaltung und Zwei-Klassen-Bildung. Wir werden sie daran erinnern!
Studium reformieren!
Nahezu alle Studiengänge müssen dringend reformiert werden – und zwar inhaltlich und nicht durch modische und gefährliche Augenwischereien namens Bachelor und Master. Statt sich darauf zu beschränken, einen Niedrigbildungssektor zu schaffen, sollten Studieninhalte den Anforderungen der Zukunft angepaßt werden: Interdisziplinäres Studium statt starrer Fächergrenzen, Projektphasen zur Überprüfung der Theorie an der Praxis und umgekehrt, größere Freiräume, um individuellen Interessensgebieten nachgehen zu können, daß wäre ein Studium der Zukunft und es muß allen ermöglicht werden – nicht nur einer zahlungskräftigen Elite, wie beim International Center oder dem Aufbaustudiengang Europawissenschaften.In HmbHG wären solche Änderungen zu verankern. Dafür braucht es aber Druck aus Universität und Öffentlichkeit.
Wählt zum Konzil!!!