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Universität und Demokratie

Rechnet sich das?

An der Universität Hamburg gibt es verschiedene Gremien, die Entscheidungen über die Richtung der Forschung und Lehre an der Universität, die Mittelvergabe treffen. An erster Stelle steht das Konzil als höchstes Gremium der akademischen Selbstverwaltung . In diesen Gremien sitzen VertreterInnen der vier verschiedenen Statusgruppen der Universität: Studierende, Technisches und Verwaltungspersonal (TVP), akademischer Mittelbau und ProfessorInnen. Die VertreterInnen werden jeweils von ihren Statusgruppen gewählt.

Obwohl dies auf den ersten Blick einen demokratischen Eindruck vermittelt, ist es aber übertrieben, im Bereich der akademischen Selbstverwaltung von Demokratie zu reden. Denn aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes muß die Gruppe der ProfessorInnen in den Gremien die Mehrheit haben, so daß die anderen Gruppierungen selbst bei Einigkeit in einem Punkt auf das Wohlwollen einiger ProfessorInnen angewiesen sind. Trotzdem war die Einführung der Statusgruppenuniversität in den siebziger Jahren ein großer Schritt in Richtung einer demokratischen Universitätsverwaltung, da bis dato die ProfessorInnen de facto die alleinige Entscheidungsgewalt innehatten.

Nun wird aber diese Errungenschaft – anstatt weiter ausgebaut zu werden – unter dem Druck angeblich leerer Kassen eingeschränkt und eine Entdemokratisierung forciert.

Zum Sturm auf die akademische Selbstverwaltung blies erstmals der Zukunftsminister a.D. Rüttgers in seinem Papier „Hochschule für das 21. Jahrhundert“. Hier an der Universität betreibt vor allem Präsident Lüthje mit seinem Rot-Stift-Spezialisten aus der Verwaltung und seit kurzem zum Vize-Vize-Präsidenten avancierten Holger Weidner (GAL) im Zusammenspiel mit Wissenschaftsenatorin Sager (ebenfalls GAL) die Umgehung demokratischer Legitimation.

Als erste Schritte in diese Richtung wurde eine externe Bretungskommission (die sog. Gotemeyer-Kommission ) an die Universität gerufen, sowie der Norddeutsche Evaluationsbund gegründet, ein Bund aus mehreren norddeutschen Universitäten (wie Hamburg, Bremen, Kiel), die sich nun gegenseitig beim Sparen und Entdemokratisieren helfen wollten. Beide sollten die einzelnen Fachbereiche evaluieren, um Einsparungsempfehlungen vor allem im Bereich der Verwaltung geben zu können.

Ziel der Evalution nach – meist undiskutierten – Leistungskriterien sogenannter Effizienz und Wirtschaftlichkeit ist es, den Konkurrenzdruck der Universitäten untereinander und in ihnen zu verschärfen. Mehr Effizienz heißt die Zauberformel, mit der man in dieser Konkurrenz bestehen können soll. Diskussionen in Gremien zur gemeinsamen Willensbildung bekommen bald das Stigma der Unwirtschaftlichkeit aufgedrückt und sollen einer stark hierarchisierten Entscheidungsstruktur weichen.

Desweiteren gibt es hier an der Universität das PROjekt UNIversitätsentwicklung, eine vom Präsidenten initiierte und von der VW-Stiftung finanzierte Unternehmensberatung, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, nach Einsparmöglichkeiten an der Universität zu suchen; und dieses hauptsächlich durch angebliche Effektivierung der Verwaltung mittels Stellenabbau. So sollen die Gremien durch eine Managementstruktur ersetzt werden, die dann endlich nicht mehr auf Meinungen anderer Gruppen und einen demokratischen Diskussionsprozeß Rücksicht nehmen muß. Ein weiteres Ziel von PRO UNI ist es, an den Gremien – die ja unglücklicherweise noch existieren – vorbei die Studiengänge den Erfordernissen des Marktes gerecht zu reformieren. In diesem Bereich war es erstes Ziel, an mindestens fünf Fachbereichen Bachelorstudiengänge einzuführen. Da dies nun erreicht ist, soll PRO UNI in der nächsten Zeit mittels Strategietagen an den einzelnen Fachbereichen auf den Abschluß von Leistungsvereinbarungen über Umstrukturierungen wie sie die beiden Evaluationskommissionen empfahlen zwischen Universität und Fachbereich hinwirken, ohne daß Gremien wie der Akademische Senat darauf Einfluß haben sollen. Dafür wird dem Fachbereich für einige Jahre im Bereich der Mittel wenigstens ein Status Quo zugesagt. Die Drohung ist hier also: Wenn ihr nicht unterschreibt, andere dies aber tun, so werden euch die Gelder gekürzt und ihr könnt sehen, wo ihr bleibt.

Aber auch in anderen Bereichen versucht der Präsident die Beschlüsse der Gremien zu Umgehen, oder ignoriert sie einfach. So beschloß das Konzil in dieser Legislatur, daß es an der Universität Hamburg keine Studiengebühren geben solle. Nun sitzt der Präsident aber in einigen Gremien – wie dem Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmannstiftung (CHE), oder dem Sachverständigenrat der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung -, und tritt dort für dürftig kaschierte Studiengebühren ein. Da er in den dort veröffentlichten Papieren auch immer als Präsident der Universität Hamburg genannt wird, gab er Kund und zu Wissen, daß er dort nur als Privatperson auftreten würde und nicht als Präsident.

Da aber Universität die Aufgabe hat gesellschaftliche Probleme zu lösen, ist es unumgänglich, die Kontrolle über die Universität nicht den Erfordernissen des Kapitals zu unterwerfen, sondern alle an der Universität tätigen Gruppen an der Bestimmung der relevanten Themen, der Lösungskonzepte und der Lösung zu beteiligen.

Denn in Zeiten globaler Probleme, geschlechtsspezifischer und rassistischer Diskriminierung, Arbeitslosigkeit und Armut, Umweltzerstörung und Kriegen kommt den Universitäten eine zentrale Bedeutung bei der Überwindung dieser Probleme zu. So dürften die Mittel des Institutes für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg bei einer marktorientierten Universität noch weiter gekürzt werden, da die Forschung dieses Instituts nicht im Interesse von eventuellen Kapitalgebern wie der Rüstungswerft Blohm & Voss liegen dürfte. Aber wie wichtig gerade die Friedensforschung ist, sollten wir in den letzten Monaten gelernt haben. Denn nur wenn Konfliktpotentiale rechtzeitig erkannt werden und das Wissen zur friedlichen Beilegung zu diesem Zeitpunkt vorhanden ist, kann im Vorwege eine kriegerische Auseinandersetzung verhindert werden.

Bildung hat die Aufgabe, allen die Fähigkeit zu vermitteln, die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu erkennen, die ihnen zugrunde liegenden Verhältnisse kritisch zu hinterfragen und fortschrittliche, soziale Lösungskonzepte zu entwickeln.

Dies kann aber nicht geschehen, wenn die Entscheidungen nicht in einem demokratischen Entscheidungsprozeß unter Beteiligung aller, sondern von wenigen unter dem Gesichtspunkt vermeintlicher Effizienz und Marktforderungen getroffen werden. Denn dadurch wird die Universität Erfüllungsgehilfin derjenigen, die diese Probleme weltweit forcieren um ihren Nutzen daraus zu ziehen.

Deshalb muß die demokratische Mitbestimmung an der Universität nicht eingeschränkt, sonder ausgebaut werden.

Dazu ist es nötig, das Urteil des Bundesverfassungsgericht neu zu bewerten. Kurzfristig ist hier gefordert, die Spielräume, die im Rahmen des Urteils noch möglich sind auszunutzen, langfristig muß eine stetige Überprüfung des Urteiles mit dem Ziel stattfinden, die Majorität der ProfessorInnengruppe zu brechen und eine paritätische Besetzung der Gremien zu erreichen.

Weiterhin muß auf eine Reform der Wahlordnung gedrängt werden die ein integriertes Wahlsystem zum Ziel hat, also statusgruppenübergreifend gewählt wird. Denn nur so kann die Blockadepolitik saturierter ProfessorInnen gegenüber fortschrittlichen Ansätzen verändert werden ,da die ProfessorInnen dann um gewählt zu werden, auf die Stimmen der Studierenden angewiesen sind, mit ihnen zusammenarbeiten müssen.

Um dieses zu erreichen muß sich aber das Konzil endlich wieder seines Stellenwertes als oberstes Gremium der akademischen Selbstverwaltung bewußt werden und erkennen, daß das Konzil selbst die Richtung der Universität vorgibt und nicht ein absolutistischer Präsident, dessen Motto „L'université c'est moi!“ ist.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht 1999, http://www.harte--zeiten.de/artikel_158.html