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Mehr als absichtsvolles Geklingel
„Dem Sondierungspapier nach gelang es ihnen tatsächlich, sich in kurzer Zeit auch auf Feldern zu verständigen, auf denen sehr unterschiedliche Vorstellungen aufeinanderprallen. Die FDP setzte sich mit ihrer Forderung durch, auf Steuererhöhungen zu verzichten und an der Schuldenbremse festzuhalten. Mit einem anderen Ergebnis hätte sie nicht vor ihre Wähler treten können. Die SPD bekommt dafür den Mindestlohn und das ›Bürgergeld‹, die Grünen ein umfassendes Klimaschutzprogramm. Das kann man im Rausch der Selbstbegeisterung eine ›beeindruckende Balance‹ nennen. Wie die umfangreichen ›Zukunftsinvestitionen‹ und die Respekt-Politik der SPD ohne massive Verschuldung finanziert werden sollen, bleibt freilich ein Geheimnis des noch auszuhandelnden Koalitionsvertrages.“
Berthold Kohler, „Flitterwochen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 16.10.2021, S. 1 (Leitkommentar).
„Die neue Bundesregierung muss ihren Beitrag leisten, um eine globale Herausforderung zu bestehen, wie sie der Klimawandel darstellt. Es geht um das Überleben angesichts weltweiter Großrisiken. Es geht darum, wie der Mensch in einer Welt der Unordnung, in einer chaotischen Welt, in einer sich aufheizenden Welt Leben und Ordnung finden kann. Es geht - um die Schöpfung. Schöpfung ist nicht einfach ein anderes Wort für Natur. Schöpfung ist Chaosbewältigung. Es geht immer wieder darum, aus der Destruktivität herauszukommen. (…) Aber es ist noch viel kreativer Geist vonnöten, um das gestörte Zusammenleben neu zu ordnen. Man würde sich wünschen, dass es auch eine Impfung gegen die Aggression in Afghanistan gäbe, auch eine Impfung gegen die Gewalt im Nahen Osten, eine Impfung gegen den Klimawandel - und eine Impfung gegen die Gemeinheit des Gemeinwesens.“
Heribert Prantl, „Leben und Überleben“, „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), 17.10.2021.
„Hundert Tage Ultimatum, 31 Tage Streik, begleitet von dem Vorwurf, das Patientenwohl zu vernachlässigen: Man sollte sparsam mit dem Begriff ›heroisch‹ umgehen, doch was die Berliner Krankenhausbewegung seit Mai auf die Beine gestellt hat, verdient diese Auszeichnung. Lange gab es keinen so solidarischen Arbeitskampf mehr in diesem Bereich, ließen sich Beschäftigte trotz Lohneinbußen während der Streiktage und trotz aller Drohungen so wenig beirren. Mit dem moralischen Recht auf ihrer Seite haben sie sich nun bei einem der Berliner Arbeitgeber in wichtigen Punkten durchgesetzt, der Charité. Der lange geforderte Entlastungstarifvertrag kommt, die Situation auf den Krankenstationen wird sich, wenn der Vertrag unterschrieben ist, spürbar verbessern, und in den nächsten drei Jahren sollen 700 neue Mitarbeiter:innen angeworben werden.“
Ulrike Baureithel, „Ein Signal, das weit über Berlin hinausreicht: Gemeinsam ist man tatsächlich stärker“, „der Freitag“, 14.10.2021. S. 1.
Die bewegte und bewegende Gegenwart hält viele hilfreiche Erkenntnisse bereit. Gesellschaftliche Bewegungen und soziale Kämpfe sind wider alle Unkenrufe meist bemerkenswert heilsam:
Höhere Löhne und mehr qualifiziertes Personal im Gesundheitssystem verbessern die Gesundung, machen die Krankenhäuser freundlicher, erhöhen die Sozialabgaben und die Kaufkraft, zeigen tatsächlich Respekt vor der Arbeit in diesem gesellschaftlichen Bereich und fördern so das Allgemeinwohl – erreicht durch begründete Forderungen und spezifisches Engagement.
So ist´s eigentlich überall und immer: Die Friedensbewegung wirkt – auch international – für die Beendigung von Kriegen, den Stopp von Rüstungsexporten, für Abrüstung und Entmilitarisierung, für zivile Konfliktregulierung bzw. kooperative Entwicklung, für Rüstungskonversion in der industriellen Produktion und dafür, daß die Werbung des Militärs an den Schulen nichts zu suchen hat. Frieden ist Gewaltfreiheit und ein angewandtes positives Menschenbild.
AntifaschistInnen wirken für ein kritisches historisches Bewußtsein, gegen Menschenverachtung und aggressive Vorurteile – zu Gunsten von Menschenwürde, internationaler Zusammenarbeit und sozialer Demokratie. Konkret auch für den 8. Mai (Tag der Befreiung von Diktatur und Krieg) als Feiertag.
Die soziale Bewegung gegen den schädlichen Klimawandel engagiert sich für die adäquate Umwandlung der Produktion, der Energieerzeugung sowie der Mobilität und richtet sich gegen den Raubbau an der Natur (und der globalen Menschengemeinschaft.)
Mittels der Gewerkschaften wird sich für bessere Lohn-, Arbeits-, Sozial- und Mitbestimmungsbedingungen engagiert.
In einigen Parteien ist die aktive Ambition präsent, die gesellschaftlichen Lebensbedingungen substantiell zu verbessern.
An den Hochschulen zeigt sich zunehmend – nach drei Semestern Stubenarrest vor Kacheln – der Einsatz für eine neue Qualität der kulturellen Begegnung, verbunden mit der Reformierung des Ba-/Ma-Systems, bedarfsgerechter Finanzierung sowie einer erweiterten Verantwortlichkeit für den Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher globaler Probleme (Nachhaltigkeitsziele der UNO). Diese Handlungsweise ist im praktischen Einklang mit dem Grundgesetz.
Dagegen ist die starre Haltung der FDP – ernst genommen – ein Witz:
„Bereits im Wahlkampf haben wir deutlich gemacht, dass es mit uns keinen Linksdrift geben wird. Eigenverantwortung, Leistungsbereit- schaft und Chancengerechtigkeit bleiben die Maßstäbe unseres Handelns – das haben wir in den Jahren der Opposition bewiesen, und das gilt auch für jede Art von Regierungsbeteiligung.“
(Christian Lindner, „Die FDP bleibt Anwalt der bürgerlichen Mitte“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), „Fremde Federn“, 18.10.2021, S. 8.)
Sozial- und bürgerrechtsliberal geht wesentlich anders. Die FDP ist ein Bremser.
Wiederum dagegen bleibt nur die gesellschaftliche Opposition übrig. Die Entdämmung ist eine allseitig angenehme Kultur. Mit einem rationalen Drall.