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Bildung für alle ... „Beitrags“-Zahler

Uni-Präsident Lüthje macht sich für Studiengebühren stark

Da war im Wintersemester 1997/98 ein StudentInnen-Streik; dessen zentrale Forderungen waren eine staatliche, bedarfsdeckende Ausbildungs- und Hochschulfinanzierung. Und da war ein Uni-Präsident, Dr. Jürgen Lüthje, der sich solidarisch mit den Forderungen der Studierenden erklärte und sich sogar an die Spitze ihrer Demonstrationen stellte. Er unterstütze den studentischen Protest gegen die andauernde Unterfinanzierung des Bildungssektors, ließ er Anfang Dezember 1997 noch verlauten. Doch auch da wandte er sich bereits gegen die studentischen Forderungen nach Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten, als Weg, der Rücknahme sozialer und bildungspolitischer Errungenschaften zu begegnen. Mag das damals vielleicht noch verwundert haben, heute überrascht es kaum, macht er sich doch freudig zum Lobbyisten für Industrie und neoliberale „Modernisierer“:

Seit Sommer 98 beteiligt er sich an einer Kampagne privatwirtschaftlicher Interessenverbände (z.B. Deutscher Stifterverband), welche die Akzeptanz von Studiengebühren bei den Studierenden erhöhen und sie politisch durchsetzbar machen wollen. Durch geschickte Rhetorik werden sie als einziger Weg aus der finanziellen Misere der Hochschulen angepriesen und als angeblich sozial gerecht verkauft.

Das vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) der Bertelsmannstiftung vorgestellte Konzept zur privaten Studienfinanzierung läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Studiengebühren müssen die Studierenden selbst heran schaffen.

Um sie zu finanzieren, bietet das Konzept verschiedene Wege an: Ein Weg wäre, daß die Studierenden bzw. ihre Eltern es direkt aufbringen, das Geld also einfach haben. Oder aber die Studierenden nehmen bei einer eigens dafür einzurichtenden Studienkreditanstalt (SKA) ein Darlehen auf, das sie, nach Eintritt ins Berufsleben, einkommensabhängig und zuzüglich Zinsen zurückzahlen müssen. Natürlich können sie sich vor Beginn ihres Studiums auch einen Sponsoren, z.B. den zukünftigen Arbeitgeber, suchen. Auch haben ihre Eltern die Möglichkeit, schon frühzeitig einen „Bildungssparvertrag“ (vergleichbar einem Bausparvertrag) abzuschließen, um so das notwendige Geld für die Finanzierung der Ausbildung ihres Kindes anzusparen. „Bildungssparen“ und „Bildungsdarlehen“ sollen nicht nur die Finanzierung der Gebühren ermöglichen, sondern auch die Kosten der Ausbildungsförderung (also v.a. den Lebensunterhalt) sichern. Damit fällt jede staatliche Ausbildungsförderung, wie durch das Bafög, weg, schon weil Banken und SKA von Darlehen und Sparverträgen profitieren müssen und wollen.

Die Verwendung der Studiengebühren zerfällt in drei Teile: erstens in Mittel zur Verbesserung der Lehre, zweitens in Rücklagen für die SKA und drittens in einen Teil für die Verwaltungskosten der Fachbereiche und der Hochschulverwaltung. Insgesamt sollen diese Studiengebühren in einer Größenordnung von 1000 – 2000 DM pro Semester liegen.

Aufgegriffen wird dieses Studienfinanzierungskonzept vom sog. „Initiativkreis Bildung“, welcher unter der Schirmherrschaft Roman Herzogs, von der Bertelsmannstiftung und dem Deutschen Stifterverband initiiert wurde und an dem, neben VertreterInnen von Industrie und Banken, der Präsident der Uni Hamburg teilnahm. Angesprochen darauf, wie er in seiner Funktion als Präsident der Universität eigenmächtig auf die Einführung von Studiengebühren hinarbeiten kann, zog er sich darauf zurück, er habe lediglich als Privatperson seine Meinung vertreten. Weiterhin sagte er, er verspreche sich gute Steuerrungseffekte von Studiengebühren, welche die Modernisierung der Universität voran trieben.

Damit spricht er den VertreterInnen der Kapitalseite sicher aus dem Herzen. Denn die Einführung von Studiengebühren zwingt zur Marktkonformität, zumal wenn sie mit der Privatisierung der Hochschulfinanzierung insgesamt einher geht, wie es das Papier des „Initiativkreis Bildung“ anregt:

Da die von den Gebühreneinnahmen abgezweigten Rücklagen zur Deckung des Ausfallrisikos der SKA in dem Maße sinken, wie deren Eigenfinanzierung durch Kredittilgung steigt; d.h., je schneller die HochschulabsolventInnen erfolgreich berufstätig werden, um so mehr Geld bleibt für Lehre und Forschung. Diese müssen dann ihrerseits einseitig darauf ausgerichtet sein, einen schnellen, berufsqualifizierenden Abschluß zu ermöglichen, müssen sich also an den direkten Erfordernissen des Marktes orientieren.

Das bedeutete aber auch, daß Studiengänge oder Forschungsprojekte, welche ihren Schwerpunkt auf einen kritischen Wissenschaftsansatz legen und die sich mit den gesellschaftlichen Problemen, ob spezifische Diskriminierung, Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit oder Krieg, auseinandersetzen und somit genau das kapitalistische System hinterfragen, welches über Studiengebühren und Entdemokratisierung versucht, Einfluß auf die Inhalte von Wissenschaft und Forschung zu gewinnen, nicht mehr die Kriterien des schnellen und marktkonformen Ausbildens erfüllen. Gleichzeitig sind die Studierenden gezwungen, möglichst schnell ihr Studium „erfolgreich“ zu beenden, um die Beitragslast für sich selbst oder ihre Finanziers gering zu halten. Dadurch wird ihr Studium einseitig darauf ausgerichtet, schnell einen Abschluß zu ergattern, nicht aber sich über Wissenschaftsinhalte zu informieren und erkenntnisorientiert ein wissenschaftliches Studium zu beenden. Das bliebe einer kleine finanziell privilegierten Elite vorbehalten.

Völlig außer Acht läßt dieses Studienfinanzierungsmodell auch, daß es nicht die gleiche finanzielle Belastung Angehöriger unterschiedlicher sozialer Schichten sein kann, die gleiche Bildungschancen für alle ermöglicht, sondern das Bildung für alle nur dann möglich ist, wenn durch einen freien Hochschulzugang versucht wird, Mechanismen struktureller Diskriminierung, wie sozioökonomische oder kulturelle Unterschiede und patriarchalische Verhältnisse, entgegenzuwirken.

Jedoch wird durch Studiengebühren nicht nur eine soziale Auslese befördert, sondern es wird auch massiv an der Entdemokratisierung der Strukturen der akademischen Selbstverwaltung gearbeitet. Denn so wie an den Mitteln zum Ausgleich der Ausfallrisiken der SKA gespart werden muß, soll natürlich auch der finanzielle Aufwand für die Verwaltung klein gehalten werden. Daher regt das Konzept der Bertelsmannstiftung an, die Verwaltungsstrukturen der Hochschulen zu „verschlanken“ und die zumindest teilweise demokratisch legitimierten Gremien der akademischen Selbstverwaltung durch betriebswirtschaftliche Management-strukturen zu ersetzen.

Diese Bestrebungen gipfeln dann in Bemerkungen wie der des Präsidenten, wenn die Studierenden endlich zahlten, dann hätten sie endlich einen Rückhalt, um gegenüber der Universität ihre Interessen geltend zu machen. Nur wer bezahlt, so Lüthje, kann also mit Recht Forderungen gegenüber der Uni geltend machen. Dabei sind doch die Studierenden selber der größte Teil der Uni.

Nun weiß Lüthje aber, daß sich Studiengebühren nur dann relativ rasch durchsetzen ließen, wenn massiver studentischer Widerstand ausbliebe. Daher muß ein Konzept zur Studiengebührenfinanzierung Vorteile für einige Studierende bergen. Aus diesem Grund hat der Präsident auf Grundlage des CHE-Konzeptes ein eigenes entwickelt. Er schlägt vor, daß ein Drittel der monatlichen Gesamtkosten (zum Beispiel 200 DM Studiengebühr + 1000 DM Lebenshaltungskosten) für Studierende vom Staat bezahlt werden, während die restlichen zwei Drittel von der/ vom Studierenden übernommen werden. Dieser 1/3-Betrag wäre immer höher als die monatlich zu entrichtende Studiengebühr und würde somit eine staatliche, elternunabhängige Minimalförderung (ca. 200 DM) für alle sichern. Jede darüber hinausgehende staatliche Ausbildungsfinanzierung, allerdings, fiele damit weg, weshalb die strukturellen Probleme, die auch das CHE-Konzept mit sich bringt (s.o.), nicht gelöst sondern höchstens abfedert. Es bleibt dabei, daß erst eine bedarfsdeckende, staatliche und elternunabhängige Ausbildungsförderung Chancengleichheit gewährleisten würde. Zudem ist jeder Einstieg in Studiengebühren, sei er noch so „sozial abgefedert“, vor dem Hintergrund der zunehmenden Konkurrenz in allen gesellschaftlichen Bereichen nur ein Anfang, die zur Zeit herrschende neoliberale Politik der Entsolidarisierung und Privatisierung in den Hochschulen endgültig durchzusetzen. Dieses neue Konzept zur Hochschulfinanzierung verschleiert geschickt, daß es soziale Ungleichheit noch verschärft und Inhalte von Bildung und Wissenschaft einseitig an den Erfordernissen des kapitalistischen Marktes orientiert. Außerdem wird versucht durch die Studierenden an dieser Frage zu Spalten, weil viele, die bisher gar keine staatliche Förderung erhielten immerhin einen Mindestbetrag erhalten, sich ihre Lage somit verbessert. Gleichzeitig wird die Situation derer, die auf Bafög angewiesen sind, ungleich schlechter.

Zudem bringt dieses Konzept eine Verschärfung der Konkurrenz der Unis untereinander mit, weil die Studierenden mit der Wahl ihrer Universität über deren finanzielle Situation entscheiden. Die Studierenden bekommen für die Finanzierung der Studiengebühren Geld vom Staat und tragen das zur Universität ihrer Wahl. So wird nicht nur Ausbildungsförderung, sondern auch die Hochschulfinanzierung privatisiert. Die Universitäten wären dann gezwungen, „dienstleistend“ ihr Lehrangebot ausschließlich den Anforderungen der „nachfragenden“ Studierenden anzupassen. Das gefährdet z.B. den Erhalt von Fächervielfalt an einzelnen Standorten ebenso, wie die Möglichkeit kritische, unpopuläre Veranstaltungen weiter anzubieten.

Daher wird es nicht gelingen, der Einführung von Studiengebühren argumentativ nur mit Appellen an den Sinn für soziale Gerechtigkeit zu begegnen.

Statt dessen muß eine konsequente Auseinandersetzung mit diesem Wissenschafts- und Bildungsmodell erfolgen und das sich dort widerspiegelnde neoliberale Gesellschaftskonzept offengelegt und kritisiert werden.

Wir setzen uns ein:

  • Für staatliche, bedarfsdeckende und elternunabhängige Ausbildungsfinanzierung
  • Für staatliche und bedarfsdeckende Hochschulfinanzierung
  • Für eine demokratische Universität, an deren Entwicklung alle an der Hochschule tätigen gleichberechtigt mitwirken können.
V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 27. September 1998, http://www.harte--zeiten.de/artikel_153.html