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Soziale Situation der Studierenden hat sich weiter verschlechtert

Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen Familien sinkt weiter

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) hat den Vorabbericht zu seiner jüngsten Sozialerhebung „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland – 1997“ veröffentlicht. Daraus geht hervor, daß sich die soziale Situation der Studierenden weiter verschärft hat. Immer mehr Studierenden sind gezwungen, neben dem Studium zeitweise oder dauerhaft zu arbeiten, immer weniger erhalten Bafög. So stieg der Anteil der Eigenfinanzierung in Westdeutschland von 19% im Jahre 1982 auf 31%, während der Bafög-Anteil im gleichen Zeitraum von 25% auf 10% sank. 49% tragen Mami und Papi zum Monatseinkommen der Studis im Westen bei (1982: 46%), 10% kommen aus sonstigen Quellen. Im Osten ist die Entwicklung noch katastrophaler: Machte 1991 das Bafög dort noch 60% des Monatseinkommens aus, so sind es jetzt gerade noch 17%!

Kein Wunder also, daß immer mehr KommilitonInnen gezwungen sind zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mittlerweile sind in Westdeutschland 66% der Studis zumindest zeitweise erwerbstätig, 24% sogar dauerhaft. 1967 waren dazu nur 5% gezwungen, 1988 gerade mal 13%. Durchschnittlich arbeitet jedeR von uns 13 Stunden in der Woche (1988: 6 Std.).

Klar, daß sich das in der Studiendauer niederschlägt, nicht überraschend auch, daß sich immer mehr Kinder aus einkommensschwachen Familien von dieser materiellen Unsicherheit, gekoppelt mit dem zunehmenden staatlichen Druck auf die Studierenden („Bummelstudis“ als Sündenböcke, Zwangsberatungen etc.), von einem Hochschulstudium abschrecken lassen. Nach dem vom DSW entwickelten Modell der sozialen Herkunftsgruppen ist von 1982 bis 1997 der Anteil der Studierenden sozial niedriger Herkunft von 23% auf 15% gesunken. Ebenfalls abgenommen hat der Anteil der mittleren Gruppe (von 34% auf 29%), während aus gehobener sozialer Herkunft 27% (+ 2%), aus der höchsten Sozialgruppe 1997 gar 29% der Studierenden kommen, 1982 waren es gerade mal 18%.

Die Zahlen sprechen für sich: Hier wird sehenden Auges, scheibchenweise die Chancengleichheit auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen! Die katastrophale Bafög-Politik der letzten anderthalb Jahrzehnte führt zu einer ( oder dient der?) Reproduktion sozialer Ungleichheit und damit der Herrschaftssicherung der Wohlhabenden in dieser Gesellschaft. Hochschulbildung verkommt in der Tendenz wieder zu einem Privileg der sozial gehobenen Schichten. Wer vor diesem Hintergrund auch noch die Einführung von Studiengebühren fordert und dreist behauptet, dies ginge auch noch sozial verträglich (was sind schon mehrere zehntausend Mark Schulden?), dem ist Chancengleichheit schlicht egal, der nimmt die Zementierung bestehender gesellschaftlicher Hierarchien in Kauf und kündigt dabei einen sozialen Grundkonsens auf.

Um das Recht auf Bildung für möglichst viele zu verwirklichen, um gesellschaftliche Hierarchien aufzuweichen und letztlich zu überwinden und um die Hochschulen und damit die Wissenschaft zu demokratisieren bedarf es endlich einer umfassenden Bafög-Reform: bedarfsdeckend, elternunabhängig und als Vollzuschuß! Es wäre ein erster Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 29. September 1998, http://www.harte--zeiten.de/artikel_152.html