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Hallo liebe Studis! Hallo liebe Nazis!

Seid ihr alle da? Habt ihr sie noch alle? Sie haben sie zumindest alle eingeladen. Der AStA-Vorstand, der seit Ende Mai im Amt ist, ist nämlich so offen, daß nicht nur jeder „Studi“ (gemeint sind Studierende), sondern auch jeder Alt- und Neunazi bei ihm Gehör findet und, was letztere angeht, ein Podium für seine Parolen bekommt – mehr noch: er wird sogar dazu eingeladen. Denn zu den Kräften, deren Positionen Nadine Stefani und Oliver Camp gerne ihren „Studis“ bei einer Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl am 21. September vorstellen möchten, gehören nicht nur die vier großen Parteien sondern auch so illustre Verbände wie: „Deutsche Volksunion“ (DVU), „Die Republikaner“ (REP) und die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD).

Da sollen sie dann einträchtig nebeneinandersitzen mit Christ-, Sozial-, freien und grünen Demokraten – unser AStA grenzt ja niemanden aus. Die „Republikaner“ nicht, die ein Sammelbecken für die „Neue Rechte“ sind, ein Spektrum chauvinistischer Jungmanager und Nadelstreifen-Nazis, die aus den Chefetagen über die Oder-Neiße-Grenzen „herkömmlicher“ Politik hinausdenken. Die „NPD“ nicht, altgewordenes Kind von Landsern, für die der Kampf 1945 noch längst nicht beendet war und die heute, in Verfassungsschutzberichten nachgewiesen, ihren kahlen Enkeln in geheimen Wehsportverbänden den alten Komment einbrüllen. Auch die DVU ist herzlich willkommen, Partei eines herrschsüchtigen Millionärs, der seine Marionetten direkt vor Arbeitsämtern und Justizvollzugsanstalten rekrutiert, kaum eines zusammenhängenden Satzes mächtig, aber mit Millionenaufwand vermarktet.

Gerade die DVU ist das beste Beispiel einer braunen Welle, die nach einigen Landtagen nun auch in den Bundestag zu schwappen droht. In Sachsen-Anhalt verbuchte sie Rekordzuwächse, ohne ihre Kandidaten auch nur einmal die chauvinistischen Halbsätze auf Tausenden Plakaten, Millionen Flugblättern erklären zu lassen. Parolen, deren Menschenverachtung und Gefährlichkeit in Jahrzehnten in beiden deutschen Staaten in Unterricht, Medien und öffentlicher Debatte herausgestellt wurden. Die DVU gewann nicht, weil niemand diese Parolen widerlegt hätte, sondern weil sie, mit Millionengeldern verstärkt, niemand überhören konnte. Sie gewann, weil sie da war und das unübersehbar und weil es eben immer noch ein Potential für Menschen-Hetze gibt.

Und dieses Potential wächst und wird immer empfänglicher. Einerseits wird der soziale und wirtschaftliche Druck auf die Schwächeren in dieser Gesellschaft immer stärker. Andererseits predigen Politiker aller demokratischen Parteien landauf landab dieselben Prinzipien: Konkurrenz, Auslese der Besten – Egoismus.

Hier springen die Rechten ein: Konkurrenz bieten sie als Konkurrenz zwischen den „Rassen“, die Besten das sind die Deutschen – die müssen sich selbst die Nächsten sein. Sie bieten denen, die von der herrschenden Politik ganz unten gehalten werden, die Vorlage, nach noch weiter unten zu treten: auf Asylsuchende und Ausländer. Sie schließen an die Konkurrenzrhetorik der Liberal-Konservativen an, indem sie sie rassisch-völkisch verschärfen. Mit dieser Vorlage der Schwarzgelben bauen sie sich Brücken, um, die allgemeine Rhetorik variierend, als „ganz normale“ Parteien zu erscheinen, ihre faschistischen Gedanken als „ganz normale“ Reaktionen ihren Wählern als deren eigene anzubieten (auch wenn dabei mal was Feuer fängt). Wer meint, diese Faschisten auf Podien sachlich widerlegen zu können, der baut mit an diesen Brücken. Der schlägt daneben, weil es nicht ihre Argumente sind, die überzeugen. Der liefert ihnen aber Munition für ihre einzige und gefährlichste Waffe: Öffentlichkeit. Der nimmt Spießbürgern die letzte Schwellenangst, die sie von der Wahl von Nazis abhält: die Angst sich damit außerhalb des politischen Konsenses zu stellen. Rechtsradikale Parteien sind gefährlich und erfolgreich, weil sie die Strategie der Demokraten – Aufklärung und Argumentation – unterlaufen.

Darum muß diese Grenze immer wieder deutlich gemacht werden. Es ist eine Sache, ob ein Amt Parteien zur Wahl zulassen muß, weil man ihre Verbindung zum gewaltbereiten rechten Untergrund, wie im Fall NPD, nicht nachweisen kann; es ist aber eine andere Sache, wenn man ihnen ohne Not ein Podium liefert, Präsenz gibt, die ungeachtet schwacher Argumente ihr Erfolgsrezept ist. Wer dies tut, handelt mit einer erschreckenden Blauäugigkeit gegen radikale Strategien und ohne jedes Verständnis für politische Grundwerte.

Die Feinde von Humanismus und Demokratie können nicht als gleichberechtigte Partner im demokratischen Dialog behandelt werden, sie müssen durch ihn verneint werden. Demokratiefeinde und Hetzer müssen gebrandmarkt, nicht verstanden werden. Woher kommt also diese Blauäugigkeit des AStA? Die Stilblüte, sich als „Neuer Allgemeiner Allgemeiner Studierendenausschuß“ zu bezeichnen gibt nur wieder, was man schon immer vom Duo Camp/Stefani wußte: So allgemein allgemein ist ihr Politikverständnis, daß ihnen eine Stellungnahme nicht möglich ist.

Da war es ihnen schlicht egal, von wem sie gewählt wurden (u.a. RCDS, Burtschenschafter, Liberale), hauptsache sie wurden gewählt. Ihre eigene Widergabe eines Gesprächs mit Krista Sager (zweite Nummer ihrer Zeitschrift „VMP 5“) zeigte, daß sie einfach nicht das geistige oder sprachliche Vermögen haben, ihrem Hauptkonflikt- und Ansprechpartner gegenüber mehr als den Drang zum Pinkeln zu formulieren.

Doch die Einladung von Nazis auf ein Studierendenpodium zeigt, das es sehr wohl einen Unterschied macht wer einen AStA wählt: wer sich von Rechten ins Amt heben läßt, für den ist es nur ein kleiner Schritt dazu, Rechtsradikalen ein Forum zu bieten. Wer findet, der Humanismus gehöre „auf den Müllhaufen der Geschichte“, der findet es unproblematisch, andere mit den geistigen Konsequenzen dieser Aussage Kampagne zu machen zu lassen und Wahlen zu gewinnen.

Diese Einladung zeigt, daß die politische Inhaltslosigkeit von Nadine Stefani und Oliver Camp mehr als Beliebigkeit ist, sie ist fahrlässig und dumm. Sie zeigt das dieser AStA nicht nur unfähig ist, die Interessen von Studierenden zu vertreten, sie zeigt das er vor allem eines ist: gefährlich.

Zurück zur Politik!

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 2. September 1998, http://www.harte--zeiten.de/artikel_151.html