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50.000 DM für grüne Chefsessel?

Seit einigen Wochen ist der AStA der Grünen Hochschulgruppe im Amt. Über die politischen Zielsetzungen dieses neuen AStA war bisher noch wenig zu hören. Das grüne Wahlkampfprogramm hatte sich, abgesehen von einem Bekenntnis zum Semesterticket um jeden Preis, darauf beschränkt, verschiedene Themenfelder plakativ hinauszuposaunen (Demokratisierung, Ausbildungsfinanzierung, Hochschulfinanzierung, Frauenförderung), ohne zu sagen, was in diesen Bereichen zu geschehen habe. Selbst bei der Kandidatur zur AStA-Wahl im Studierendenparlament wurde kein Arbeitsprogramm vorgelegt. Um so genauer wird man sich den jetzt vorgelegten Haushaltsentwurf ansehen müssen, um zu erkennen, welche Prioritäten sich daraus ergeben.

Sommernachtsalpträume

Ein Schwerpunkt dieses AStA soll offensichtlich im Bereich Veranstaltungen liegen, genauer gesagt bei einer Veranstaltung, dem sogenannten Campusfestival "Sommernachtstraum". Hierfür sind Ausgaben von insgesamt 95.000 DM eingeplant (wobei die konkreten Gagen geheim gehalten werden). Dem stehen Einnahmen von lediglich 50.000 DM gegenüber. Das bedeutet also, der AStA will mit großem Aufwand zur Campusbelustigung beitragen (wer sich an die "Sommernachtsträume" vergangener grüner ASten erinnert, der weiß, daß sich diese von kommerziellen Festivals nur durch die schlechtere Organisation unterscheiden), und plant dabei von vornherein ein Defizit von 45.000 DM ein. Zum Vergleich: für das Sozialreferat, aus dem für eine Verbesserung der sozialen Situation der Studierenden gekämpft werden müßte (für ein bedarfsdeckendes, elternunabhängiges BAföG als staatlicher Vollzuschuß; gegen Studiengebühren; für eine bessere Job- und Wohnsituation; ...) sind nur 6.000 DM angesetzt - wer sich beim "Sommernachtstraum" warme Gedanken macht, braucht sich offensichtlich nicht mehr zu sorgen, wie er die Heizungsrechnung bezahlen soll.

Projekte gegen das schlechte Gewissen

Ein zweiter Schwerpunkt befindet sich allem Anschein nach im Feld Ökologie. In diesem Bereich wurde der mit Abstand größte Betrag für Honorare und Aufwandsentschädigungen veranschlagt. 24.400 DM sollen an "MitarbeiterInnen" und ReferentInnen ausgezahlt werden. Nun wäre zweifellos nichts dagegen einzuwenden, daß sich zahlreiche Personen dem Thema Ökologie intensiv widmen, wenn man denn wüßte, was sie dort tun sollen. Die im Wahlprogramm genannten Stichpunkte lassen über die konkrete Arbeit nur spekulieren. Das "Solarprojekt - Philturm" beispielsweise scheint sich auf die Kampagne "solare Uni" zu beziehen, die vor geraumer Zeit von der juso hochschulgruppe entwickelt wurde. Dabei ging es vor allem darum, deutlich zu machen, daß eine ökologisch verträgliche Energiewirtschaft von monopolartigen, profitorientierten Energiekonzernen nicht zu erwarten ist, und daß deshalb staatliche Eingriffe zugunsten regenerativer Energienutzung notwendig sind. Als ein Aufhänger hierfür sollten an verschiedenen Stellen auf dem Campus Anlagen zur regenerativen Erzeugung von Energie errichtet werden. Das Konzept der Verkleidung der Philturmfassade mit Solarzellen wurde daraufhin vor allem von der Uni-Verwaltung entwickelt. Wenn diese Kampagne aber nun zum "Solarprojekt - Philturm" degeneriert wird, das Beispiel also zum Selbstzweck wird, so verliert es jeden politischen Nutzen. Denn die wenigen Kilowattstunden, die sich dort erzeugen ließen, sind tatsächlich nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein solches Projekt dient wohl mehr dazu, das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Wenn man schon nicht mehr vehement für einen Atomausstieg streiten kann, weil sich die eigene Mutterpartei vom schröderschen Energiekonsens hat einwickeln lassen, so muß man doch wenigstens im eigenen "Nahraum" etwas tun - wie wirkungslos es auch immer sein mag.

Ohne jedes Konzept

Über all das haben sich die grünen ReferentInnen aber offensichtlich wenig Gedanken gemacht. Hier und auch für den gesamten restlichen AStA gilt: Zunächst besetzen wir die Posten. Der sog. "Kern"-AStA besteht aus 20 ReferentInen - weit mehr als in den Jahren zuvor. Die Bestätigung weiterer ReferentInnen ist angekündigt, Honorare für zahlreiche Projektstellen kommen hinzu.

Tatsächlich absurd wird dieser Haushalt, wenn man betrachtet, welche Summen für Inventar ausgegeben werden. Für 55.000 DM sollen neue Computer und für 50.000 DM neue Möbel angeschafft werden. Für diese Beträge könnte man vermutlich jeder ReferentIn einen neuen ledernen Chefsessel (selbstverständlich pflanzlich gegerbt) kaufen, die politische Arbeit wird das kaum voranbringen. Und diesen 105.000 DM für AStA-Inventar stehen gerade mal 3.000 DM gegenüber, die von allen Fachschaften gemeinsam für ihre Ausstattung ausgegeben werden dürfen - ein Betrag der schon in den vergangenen Jahren nie ausreichte. Auch die Budgets der einzelnen Fachschaften für den täglichen Betrieb sind nicht dem tatsächlichen Bedarf angepaßt worden.

All diese Punkte zeigen deutlich, daß dieser Haushaltsentwurf nicht auf der Grundlage einer durchdachten, politisch begründbaren Kalkulation erstellt wurde, sondern Ausdruck völliger Konzeplosigkeit ist. Es herrscht die Auffassung, die außnahmsweise recht umfangreichen Haushaltsgelder müßten dringen ausgegeben werden, wofür auch immer. Das ist um so armseliger angesichts der Tatsache, daß die Rücklagen des AStA massiv geschrumpft sind - Mittel wie sie für den großen Streik 1997/98 notwendig waren, wären zur Zeit nicht aufzubringen.

Demokratie in grün

Allerdings scheint selbst den Grünen klar zu sein, was für eine politische Unverschämtheit dieser Haushalt darstellt. Wie anders sollte man die fast schon panischen Reaktionen auf Kritik an ihrem Entwurf deuten. So sahen sie sich genötigt, mit der vom Bundestag bis, hinunter zum Studierendenparlament üblichen Gepflogenheiten zu brechen, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses von der Opposition gestellt wird. Und nach dem die ReferentInnen der teilautonomen Referate ihre Kritik auf einer AStA Sitzung vorgebracht hatten, wurden die meisten von ihnen schlicht entlassen. Hier zeigt sich, wie viel den Grünen das Prinzip der Teilautonomie bedeutet. Die teilautonomen Referate (FrauenLesbenRat, AusländerInnenreferat, Behindertenreferat, Schulenreferat, Fachschaftsrätekonferenz) werden basisdemokratisch direkt von den jeweiligen Gruppen gewählt und sollen nicht vom Wohlwollen der AStA-Mehrheit abhängig sein. Für die Grüne Hochschulgruppe dagegen scheinen spezifische Interessenvertretung und Minderheitenschutz nur dann zulässig zu sein, wenn von diesen die grüne Mehrheitsmeinung vertreten wird. Und nach ähnlichen Grundsätzen wird bei der Haushaltsdebatte im Studierendenparlament verfahren. Mit Geschäftsordnungstricks wird die inhaltliche Auseinandersetzung verhindert, offenbar ist man nicht sicher, ob sich nicht wohlmöglich auch eigenen ParlamentarierInnen davon überzeugen lassen könnten, daß dieser Haushalt erhebliche Mängel hat, wenn man zuläßt, daß sie sich tatsächlich mit den vorgebrachten Argumente auseinandersetzen.

Alles in allem steht der Haushalt unter dem Motto: Brot und Spiele - Brot für sich selbst, Spiele für die Studierenden.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 20. Mai 1999, http://www.harte--zeiten.de/artikel_147.html