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Unser täglicher Aufenthalt: Bauten und Räume der Uni
„Die Bauwut (Structurophilie) ist eine zwanghafte Beschäftigung mit Gebäuden (ihrer Planung, dem Bau, der Pflege und dem Umbau), verbunden mit einem wachsenden Desinteresse an der Arbeit, die im Innern des Gebäudes erledigt wird (oder erledigt werden sollte). Structorophilie habe ich auf allen hierarchischen Stufen beobachtet. Ihre feinste Ausprägung findet sie unzweifelhaft bei Politikern und Universitätspräsidenten. In ihrer extremen pathologischen Erscheinungsform (gargantuan monumentalis) erreicht sie ein Stadium, wo das Opfer unter dem Zwang steht, riesige Grabstätten und Denkmäler zu errichten.“
Auszug aus Peter & Hull: „Das Peter Prinzip – oder: Die Hierarchie der Unfähigen“,1969.
Die Science-City Bahrenfeld ist DAS neue Vorzeigeprojekt der Hamburger Wissenschaftspolitik: „Erstmals in der Geschichte Hamburgs werden Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen bei der Entwicklung eines neuen Quartiers als Ganzes gedacht. (…) Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY kann ausgebaut und die Universität Hamburg kann auf Dauer die Fachbereiche Physik, Chemie und Teile der Biologe in der Science City ansiedeln“, heißt es auf einer Homepage der Stadtregierung. 2.500 Wohnungen und eine (seit 50 Jahren ausstehende) Anbindung des Hamburger Westens per S-Bahn werden versprochen; ebenso örtliche Förderung für unternehmerische Start-Ups und Wissenstransfer in die private Wirtschaft.
Unbestritten: Die Uni braucht etwas mehr Fläche; für manche ist die Nähe zum DESY vorteilhaft; nichts spricht gegen eine neue S-Bahn und sozialen (!?) Wohnungsbau. Aber dieser Plan macht skeptisch. Selbst beim gemeinsamen Mittagessen von Uni-Mitgliedern verschiedener Fakultäten eröffnen alle einander neue Sichtweisen auf die Relevanz der Wissenschaften, das Wissenschaftsverständnis und die Bildungshaltung. Zudem bedarf demokratische Mitbestimmung für eine kooperative Gesamtuniversität kurzer Distanzen und passender Orte. Fachschaftsräte sollten nicht vom Campusleben entkoppelt sein. Ein Lehramtsstudium findet meist nicht in nur einer Fakultät statt. Und: Wird die neue S-Bahn schon nach Bahrenfeld fahren, wenn die Fachbereiche umgezogen sind?
Diese sozio-kulturellen Bedürfnisse der Uni sind bisher wenig berücksichtigt. Dagegen wird in den Plänen für die „Science City“ die Forschung mit privater Wertschöpfung verknüpft. Das ist kein Zufall: Die Handelskammer Hamburg – Interessenvertretung des Kapitals – will schon lange einen wirtschaftsnahen Retorten-Campus mit Schaufensterfunktionen.
Die politische Nachgiebigkeit gegenüber Kapitalinteressen dient der Bildung mündiger Persönlichkeiten und Wissenschaften im Dienste der Menschheit nicht. Der rot-grüne Senat erhofft sich davon aber Renommee. Allerdings: Die zwei Milliarden Euro, die nun in der ganzen Stadt in Hochschulbau investiert werden sollen, sind ein Erfolg nachdrücklich begründeter Forderungen aus den Hochschulen. Dafür wird und wurde gekämpft, damit eine menschen- und wissenschaftsfreundliche Entwicklung des räumlichen Arbeitsumfeldes gelingt.
Noch wird dies durch Restriktion infolge der „Schuldenbremse“ behindert – also der Sparpolitik: Für fast alle Bau- und Modernisierungsmaßnahmen ist die Überführung von städtischen Hochschulbauten in ein „Mieter-Vermieter-Modell“ vorgesehen. Durch solche Modelle werden Privatisierungen erleichtert und Maßstäbe kommerzieller Flächenbewirtschaftung durchgesetzt. Das wirkt einer adäquaten Raum- und Flächennutzung entgegen.
Zu ändern ist dies, indem wir Uni-Mitglieder unseren Bedarf selbstbewusst artikulieren. Dabei geht’s um eine funktionale Ästhetik: großzügig, inspirierend und gestaltbar für kooperative Erkenntnis, wissenschaftliche Produktivität, Kreativität und soziale Begegnungen im Alltag. Es ist eine zentrale Aufgabe für das Studierendenparlament und den AStA, gemeinsam mit den Fachschafträten und Personalvertretungen dafür qualifizierte Interessenvertretung zu organisieren.