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Offener Brief: Nachhaltigkeit und Exzellenz sind ein Gegensatz.

Offener Brief anlässlich der Umfrage des Präsidiums „gemeinsam exzellent“ zur fortgeschrittenen Bewerbung der UHH bei der Weiterführung der Exzellenzinitiative, der Exzellenzstrategie, mit Förderbeginn 2019:

Lieber Herr Lenzen, liebes Präsidium, liebe Mitglieder der Universität,

eine nachhaltige Welt nach dem Leitbild unserer Wissenschaftseinrichtung, die „zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen“ will, ist möglich und nötig. Daher begrüßen wir ausdrücklich die strategische Orientierung der Universität an dem Beitrag zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Jedoch: Dass Hunger weiterhin existiert, obgleich die ausreichende Ernährung Aller auf dem derzeitigen Entwicklungsstand bereits machbar ist, zeigt auf, dass es konfliktfreudigen politischen Willens bedarf, um das Allgemeinwohl durchzusetzen.

Die SDGs sind erkämpfte, positive Errungenschaft und Maßstab für eine nachhaltige Welt: Die Verwirklichung eines Endes des Hungers (SDG 2) wird nur im Konflikt mit transnationalen Lebensmittelkonzernen gelingen, die ihren Profit über allgemeine Bedürfnisbefriedigung und Menschenrecht stellen. Der Kampf gegen Klimawandel (SDG 13) gelingt nur durch eine Demokratisierung der Energieproduktion, in Gegnerschaft zur gewinnorientierten Konzernmacht fossiler Energieriesen. Frieden (SDG 16) lässt sich nur realisieren, wenn Geschäfte der Rüstungsindustrie und Großmachtstreben des politischen Establishments beendet werden. Zur Verwirklichung dieser Menschheitsherausforderungen müssen alle Hochschulmitglieder untereinander und als Teil gesellschaftlicher Bewegung kooperieren. Hieraus ergibt sich der Sinn wissenschaftlicher Arbeit und öffentlicher Hochschulen. Die Exzellenzstrategie ist gegen diesen Sinn gerichtet. – nämlich auf wettbewerblichen Exzellenz-Kampf um künstlich verknappte Mittel.

Fälschlicherweise wird in Ihrer Umfrage eine „innovative und kooperative Universität der Nachhaltigkeit“ jedoch mit der Exzellenzstrategie (ES) verbunden. Die Exzellenzstrategie ist das Gegenteil nachhaltiger Wissenschaft. Dem SDG 4, welches „[i]nklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern“ will, stehen Elite-Universitäten und ausbildungsorientierte Fachhochschulen entgegen. Die ES befeuert Konkurrenz statt Kooperation als dominante Kultur und ist damit inhärent wissenschaftsfeindlich. Sie ist die vor das Gesicht der Wissenschaftler*innen gehängte Karotte: Konforme Orientierung an Ratings, Impact-Faktor und Geldern gegen gesellschaftliche Konfliktfreude, Elitarismus gegen egalitäre Argumentativität. Exzellenzcluster sind Ressourcen-Staubsauger, weil schon für die Bewerbung die knappen Mittel der Universität auf die beantragten Teilbereiche der Universität umverteilt werden. Dadurch wird die Unterfinanzierung „nicht-exzellenter“, eigentlich im Sinne der SDGs arbeitender Bereiche noch verschärft. Das Exzellenz-Programm steht in inhaltlicher Kontinuität zur Bologna-Reform und soll die strukturelle Unterfinanzierung des deutschen Hochschulwesens verschleiern. Statt gemeinsam für eine notwendige Aufstockung der Grundfinanzierung und eine Beendigung des Kürzungsparadigmas zu wirken, sollen die Hochschulen im Kampf um die verknappten Mittel in Konkurrenz und Hierarchieverhältnisse zueinander treten.

Die Universität Hamburg praktiziert nachhaltige Wissenschaft zur Realisierung der SDGs in vielen Bereichen trotz der derzeitigen schlechten Rahmenbedingungen: durch das Kompetenzzentrum Nachhaltige Universität (KNU), bspw. mit der Forschungslandkarte für Nachhaltigkeitsprojekte; durch die Refugee Law Clinic der Jura-Fakultät; durch #UHHhilft für eine solidarische Aufnahme von Geflüchteten; durch Themensemester und gesellschaftlich eingreifende Projektstudien in Erziehungswissenschaft und Sozialökonomie und nicht zuletzt durch die Friedenforschungsinstitute (ZNF, IFSH) und dieEinführung der Zivilklausel für eine Wissenschaft gegen Krieg und Militarisierung in der MIN-Fakultät 2017. Überall dort wird an der Lösung der Schlüsselprobleme unserer Zeit – Klimakrise, soziale Ungleichheit, Flucht und Fluchtursachenbekämpfung, zivile Konfliktlösungen – gearbeitet. Die Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung wird dort initiativ angegangen. Allerdings arbeiten diese „Nachhaltigkeits-Inseln“ unter enorm prekären Bedingungen. Sie dürfen nicht auf einzelne Nischenbereiche beschränkt bleiben, sondern deren Orientierung muss perspektivisch alle Bereiche der Universität umfassen, damit der Beitrag zur Verwirklichung der SDGs produktiv gelingen kann.

Die aktuell von Ihnen beauftrage Studie (Online-Umfrage für alle Universitätsmitglieder) tut diesen Ansprüchen keinen Gefallen: Die Leitfrage lautet eben nicht, wie wir als Universität besser für eine nachhaltige Entwicklung zusammenwirken können, sondern wie die aktuelle Bewerbung zur ES unter dem Tenor „Gemeinsam Exzellent“ vorangebracht werden kann. So wird aus dem Anspruch der Nachhaltigkeit höchstens ein Feigenblatt für die schon längst massiv infragestehende Exzellenzstrategie. Die aktuelle fortschrittliche Entwicklung an der UHH gilt es stattdessen auch in der inneruniversitären Kontroverse mit Verfechter*innen der „exzellenten Unterfinanzierung“ mutig voranzubringen. Damit wir die SDG-Orientierung in der Wissenschaft und gesellschaftlich verallgemeinern können, müssen wir in der kommenden Zeit vor allem mit vielen anderen Hochschulen auch über Hamburg hinaus für die Ausfinanzierung der Wissenschaft und ein Ende der Kürzungs- und Austeritätspolitik eintreten.

Streiten wir – auch in den aktuellen Haushaltsverhandlungen der Stadt Hamburg – gemeinsam für ein Ende der künstlich knapp gehaltenen Finanzierung der Hochschulen und damit auch für gute soziale Bedingungen für die Wissenschaftstätigkeit in gesellschaftlicher Verantwortung. Dabei berufen wir uns auch auf die am 28.06.2018 beschlossene Resolution des Akademischen Senats. Wir brauchen den Ausbau der egalitären Massen-Universität als Teil gesamtgesellschaftlicher Progression statt Elite-Universitäten.

Hamburg, den 02.08.18

CampusGrün, SDS*, Liste LINKS, harte zeiten, UKElerVereint!

Veröffentlicht am Donnerstag, den 2. August 2018, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1412.html