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Unbelehrbar?

Dobrindt und seine „konservative Revolution“

„Linke Ideologien, sozialdemokratischer Etatismus und grüner Verbotismus hatten ihre Zeit. Der neue Islamismus attackiert Europas Freiheitsidee und Selbstverständnis und darf seine Zeit gar nicht erst bekommen. [...] Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger. [...] Wer integrieren will, muss auch wissen, wohin – in welche Gesellschaft und welches Wertesystem. In unseren Klassenzimmern hängen Kreuze, bei uns geben sich Mann und Frau die Hand, bei uns nehmen Mädchen am Sportunterricht teil, wir zeigen in der Öffentlichkeit unser Gesicht.“

Alexander Dobrindt (Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag): „Wir brauchen eine bürgerlich-konservative Wende“, in: Die Welt, 4.1.2018.

„›Heute mittag‹, erzählt nachher einer auf der Stube, ›hat mir einer von die Brüder dußlig angesehen – hab ich ihm den Kolben auf’n Kopp jehaun, hier, kiek mah – is’n Stück abjesplittert…‹ Bürgerkrieg ist Bruderkrieg? Viel schlimmer: es schlagen sich die Angehörigen derselben Klasse – zum Vorteil der Herrschenden.“

Kurt Tucholsky: „Mitteldeutscher Aufstand“, in: „Deutschland, Deutschland über alles.“ Satirenband, Berlin 1929.

Das Gute am Menschen ist: wir können lernen, nicht zuletzt aus Geschichte.

Mit „konservativer Revolution“ wird gemeinhin eine Strömung deutschnationaler und faschistoider Kräfte bezeichnet, die zwischen 1918 und 1933 die Machtübertragung an die Nazis vorbereiteten. Hier sucht die CSU nun Anleihen und wähnt sich damit populär.

Schon die Gleichsetzung von Revolution und politischer Reaktion verärgert. Hier geht es mitnichten darum, die Würde des Menschen, die gleiche Freiheit aller, einen prosperierenden Wohlfahrtsstaat, lebendige Demokratie, sinnvolle Produktion und Arbeit, ökologische Vernunft, Bildung, Kultur und ein ziviles Miteinander zu fördern. Im Gegenteil. Es röhrt aggressiv rückwärtsgewandt aus der bayrisch konservativen Seele.

Besonders anmaßend und wirr ist die behauptete Übereinstimmung mit „der“ Bevölkerung. Wer die Fluchtbewegungen als Folge von Kriegen und Waffenexporten des ach so zivilisierten Abendlandes begreift, wer zwischen dem Interesse der Aktionäre von Siemens und BMW und demjenigen der Angestellten dort unterscheidet, wer Vorurteile und Religionismus (Kreuze!), wer miefige Familienbilder und die strenge Ordnung gesellschaftlicher Hierarchien ablehnt, wird dieser Vereinnahmung widersprechen.

Die national schäumende Rechte fürchtet, was geschichtlich von Menschen für Menschen bewegt wurde, wird und werden kann: Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Dafür sind auch jetzt vielfach Menschen solidarisch engagiert, dafür können als Aufklärung praktizierte Bildung und Wissenschaft wirken. Die von Dobrindt und Kameraden so gefürchteten und gehassten „68er“ – die studentische Bewegung vor 50 Jahren – sind das beste Beispiel dafür, dass ein gesellschaftlicher Aufbruch aus zu engen Verhältnissen und Vorstellungen gelingen kann.

Was einschüchtern soll, ermutigt bei Lichte betrachtet: Soziale, zivile, demokratische und überhaupt humanistische Ansprüche und Kreativität gemeinsam in Bewegung zu setzen, ist auch bei erneut zugespitzten gesellschaftlichen Konflikten richtig, nötig und wirksam. Und kann von allen unternommen werden. Im Contra zur Hetze!

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 8. Januar 2018, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1387.html