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„Eigenverantwortung“

Über eine beengende Lüge und ihre Alternative

„Individualisierung, Responsibilisierung und Moralisierung verhindern, dass die Gefühle der Vereinzelung und der Verlassenheit, der Verunsicherung und Überforderung, der Entmutigung und des Ungenügens, kurzum: der Entfremdung, auf ihre ökonomischen Bedingungen bezogen werden. Vielmehr verstärken die genannten Aspekte diese Gefühle sogar noch und legen es nahe, sie auf nicht-ökonomische Ursachen zu beziehen. Dies führt zu einer Kulturalisierung, „Ethnisierung“ oder „Rassifizierung“ des Ökonomischen und des Sozialen. In diesem Sinne lässt sich das rechtsradikale Angebot als eine Ausweich- und Ersatzdeutung verstehen, die den ökonomisch erzeugten, aber ökonomisch und politisch nicht mehr artikulierten Frust auf andere Diskurs- und Themenfelder umlenkt.
Wenn diese Analyse richtig ist, besteht die Aufgabe der Linken sowohl in einer Kritik und Destruktion rechtsradikaler Feindbilder als auch in einer Rethematisierung und einer Repolitisierung des Ökonomischen im Sinne einer solidarischen Gesellschaft.“

Georg Spoo, „Wie weiter gegen Rechts? Der Erfolg der AfD und die Strategie der Linken“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/2017.

„Ein Werk, das der Realität gegenüber keine Souveränität zeigt und dem Publikum der Realität gegenüber keine Souveränität verleiht, ist kein Kunstwerk.“

Bertolt Brecht, „Notizen zur Arbeit - (2) Über die Ästhetik“, ca. 1939.

Mit der Rede von der „marktkonformen Demokratie“ hat Angela Merkel einmal die Leitlinie ihrer Regierungspolitik (in wechselnden Konstellationen) umrissen. Sie hat dies nie revidiert.

Wenn sich die Demokratie, also der kollektive souveräne Wille der Bevölkerungen, an den wild-spekulativen Kampf auf den Märkten anpassen soll, dann seien alle jeweils ihres eigenen Glückes Schmied: vereinzelt in der Konkurrenz, „eigenverantwortlich“ für Steigen und Fallen in einer extrem ungleichen Gesellschaft und insofern auch selbst schuld, wenn ein gutes Leben so gar nicht gelingen mag. Das ist großer Mist.

Das ist die ideologische Ursuppe, aus der nicht nur die ökonomische Dauerkrise und wachsende soziale Ungleichheit gekocht wird, sondern auch die äußerste Rechte ihre vorurteilsgeladene „Moral“ bezieht. Willst Du kein „Versager“ oder „Schwächling“ sein, beschuldige andere, suche vermeintlich Schwächere, wenn es Dir nicht gut ergeht!

Nur: Ein Wirklichkeitsgehalt dieser Schuld- und Konkurrenzideologie ist merklich nicht existent. Wer sie ablehnt, liegt richtig:

Die Ursachen von Armut und Massenarbeitslosigkeit sind in Privatisierung von öffentlichem Eigentum, Steuergeschenken und der Schleifung sozialstaatlicher Errungenschaften zu finden und in der damit hergestellten Macht größter Konzerne. Das sind politisch geschaffene unsoziale Tatsachen, die politisch auch wieder veränderbar sind.

Desgleichen sind die Gründe für Flucht und Elend in der Kriegspolitik, dem sogenannten Freihandel und dem unökologischen Raubbau zugunsten und seitens der hochindustrialisierten Welt zu finden und zu beheben.

Alle Menschen können durch Bildung, Wissenschaft, Kunst und Politik das gemeinsame Leben zum Besseren zu wenden: durch Verstehen, Verständigen und Verändern. Mit rationaler Freundlichkeit, Aufklärung als Leidenschaft, mit sorgfältiger Kritik als Orientierung gemeinsamen Eingreifens ins öffentliche Leben, mit Sinn für die Schönheit des Humanen. Alle können dazu beitragen, zu ändern, was zutiefst änderungswürdig ist – entfaltet solidarisch.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 19. Dezember 2017, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1382.html