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Mitbestimmung gegen Bares?
Die Universität soll eine Stiftung werden. Am Mittwoch wird das Konzil der Uni erörtern, ob eine Umwandlung der Universität in eine Stiftung, wie sie Unipräsident Lüthje vorschlägt, angestrebt werden soll.
Aber kann es uns nicht egal sein, auf welcher juristischen Grundlage hier geforscht und gelehrt wird? Nö, kann es nicht. Denn diese Änderung hat einschneidende Auswirkungen auf Fragen der Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Universität und der demokratischen Kontrolle über Studien- und Forschungsinhalte.
Als Probleme, welche diese Umgestaltung notwendig machten, werden seitens des Präsidenten (aber auch der zahlreichen PolitikerInnen und VertreterInnen der Wirtschaft, die bundesweit ähnliche Umgestaltungen einfordern) vor allem zwei Dinge genannt:
Erstens sei ein Grundübel, daß der Staat durch die zuständigen Behörden und Ministerien Mitsprache in Fragen der konkreten Gestaltung der Universität hat. Die Uni solle allein darüber entscheiden können, ob sie Fachbereiche aufheben oder einrichten, eine Studienordnung ändern, wen sie einstellen und wie sie Gelder verteilen will. Tatsächlich entspricht es auch wenig der Erfahrung des Uni-Präsidenten, durch die Behörde bevormundet zu werden. Schließlich betont er selbst, wie einig er und die zuständige Senatorin, Krista Sager, sich meist sind. Übrigens auch in der Stiftungsfrage. Um der Uni in diesen Fragen Autonomie zu geben, bedarf es allerdings nicht unbedingt der Verwandlung der Unis von staatliche Einrichtungen in Stiftungen. Schließlich kann der Gesetzgeber - also das Land - selbstverständlich gesetzlich eine größere Autonomie der Uni in Struktur- und Entwicklungsfragen festlegen.
Zweitens - und das ist wohl eher der Grund - würde die Trennung von Staat und Hochschule deutlich gemacht. Dies sei, sagt Lüthje, als Anreiz für private Geldgeber (Stifter/Sponsoren) zu werten. Schließlich sei man auf deren Geld angewiesen, weil vom Staat nicht mehr genug käme. Der Rückzug des Staates aus der Hochschule allein ist aber für das Kapital (die Stifter) noch nicht interessant. Wie aber derzeit den Medien zu entnehmen, geht es den Spendern nicht um den Ruhm.
Hier liegt der Hund eigentlich begraben: Über mehr als zehn Jahre sind die Bildungseinrichtungen in diesem Lande kaputtgespart worden. Jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, wo einerseits bekannt ist, wieviel noch gespart werden soll, aber klarer denn je ist, daß der bisherige Forschungs- und Lehrbetrieb unter diesen Bedingungen nicht wird aufrecht zu erhalten sein.
Unter dem ewigen 'Sparzwang' war eine fortschrittliche Ausgestaltung der Hochschulen nur begrenzt möglich - jetzt wird scheinheilig Reformstau diagnostiziert und die grundlegende Umstrukturierung des Hochschulwesens eingefordert.
Besonders lautstark werden dergleichen Forderungen von Einrichtungen wie der Hamburger Handelskammer oder dem Bertelsmann-Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) vertreten. Sie, die Sponsoren, sind es, die von einer Umwandlung der Uni in Stiftungen zu aller erst profitieren würden.
Stiftungen böten nämlich die Möglichkeit, die Verwendung der Haushaltsmittel, die inhaltliche Gestaltung von Forschung und Lehre und die organisatorische Verfaßtheit der wissenschaftlichen Einrichtungen ohne staatliche Einflußnahme zu regeln. Nur, wer hat dann entscheidenden Einfluß?
Die Gremien der Universität sind bei weitem nicht so demokratisch verfaßt, daß eine gleichberechtigte Repräsentation aller gesellschaftlichen Schichten und der Statusgruppen (Profs, Studis, Assistenten, Personal) gewährleistet wäre. Diese Repräsentation erfüllt nur ( zwar mangelhaft, aber immerhin überhaupt) die staatliche Aufsicht - und zwar vermittelt über die Bürgerschaftswahlen.
Aber nicht genug, daß die bisherige Verfaßtheit der universitären Gremien schon undemokratisch ist: zudem sollen auch sie bei einer Umwandlung der Uni in eine Stiftung neu organisiert werden. Wie das konkret aussehen soll, hat beispielsweise der Wissenschaftliche Beirat des Landes Niedersachsen entwickelt: Vor allem soll der Hochschulleitung (Präsidium) ein Kontrollgremium übergeordnet werden, daß sich "Hochschulrat" nennt. Dieser Rat soll, so der Beirat, die Funktion eines Aufsichtsrates übernehmen und vor allem oder ausschließlich aus Universitätsfremden mit (Zitat!) "gesellschaftlicher Reputation" besteht. Studierende oder Uni Angestellte wären dort nicht vertreten. Die Befugnisse dieses Rates hingegen werden äußerst weit gefaßt; von der Bestimmung des Universitätspräsidiums (den Gremien wird nur noch ein Veto zugebilligt) bis hin zur Genehmigung von Studienordnungen. An den bundesdeutschen Hochschulen, wo so ein Aufsichtsrat bereits eingeführt ist, wie in München, läßt sich ablesen, wer das Sagen haben soll: dort tummeln sich Vorstandsmitglieder der regional verankerten Konzerne und ein paar WissenschaftlerInnen dürfen das dekorieren.
Der Staat darf dann nur noch grobe politische Leitlinien ziehen, die stark hierarchisch gegliederte Unileitung wäre geprägt von der Abhängigkeit von den Stiftern, die zudem selbst in den Entscheidenden Gremien der Universität säßen. Die vollständige Profitorientierung der Uni und die Abschied von jeder gesellschaftskritischen Entwicklung in Forschung und Lehre wäre nur eine Frage der Zeit.
Der Präsident der Hamburger Uni scheint Gefallen an dieser Perspektive gefunden zu haben, denn er gründet seinen Vorstoß zur Umwandlung der Uni in eine Stiftung auf die Vorschläge des niedersächsischen Wissenschaftlichen Beirates. Stereotyp wird übernommen, daß Universitäten "Effektiv, Effizient und Flexibel" sein müssen, ohne daß benannt wird, zu welchem Nutzen. Der Staat als Träger des Gemeinwohls soll abgemeldet sein. Der gesellschaftliche Nutzen einer von Marktverwertungsinteressen unabhängigen Wissenschaft, die auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme orientiert ist, taucht in dieser Rechtsformdebatte gar nicht auf. Um so dringender ist aber die Frage nach dem Beitrag der Universität für eine sozial gerechte, demokratische und friedliche Gesellschaftsentwicklung zu stellen. An dieser Aufgabenstellung wäre zu messen, wie der Wissenschaftsbetrieb eigentlich organisiert sein sollte.
Damit die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschule und die demokratische Mitbestimmunjg aller ihrer Mitglieder wieder zur Geltung kommt, bedarf es einer starken fortschrittlichen studentischen Interessenvertretung. Vom bisher Grünen AStA ist dazu leider nichts zu erwarten. Denn seit Krista Sager im Amt ist, bedeutet eigenverantwortliches Handeln für die Grünen, niemals etwas zu vertreten, was 'der Krista' oder ihrem Lieblingsunipräsidenten Lüthje mißfallen könnte.