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Was die „SPD“ von „Labour“ lernen kann

„Die Demokratie, die wir anstreben sollten, ist eine, in der die Bevölkerung kontinuierlich mitbestimmt wie die Gesellschaft sich entwickelt, wie ihre Arbeitswelt funktioniert, wie ihre Schulen oder Krankenhäuser arbeiten. Das heißt: Ausweitung der öffentlichen Verantwortung und Demokratisierung der öffentlichen Dienste (…). Das heißt: Demokratische, öffentliche Trägerschaft für alle natürlichen Ressourcen, mit neuen Mitbestimmungsformen des Managements (…). Das heißt: Beschäftigte sprechen am Arbeitsplatz mit, Gewerkschaften sind in der Lage sie gehörig zu vertreten, in ihrem Recht sich zu organisieren von undemokratischen Fesseln befreit. Ich habe Euch vor zwei Jahren versprochen, die Politik zu ändern. Es war nicht immer einfach. Es gibt da schon ein paar Leute, die die alte Politik behalten wollen. Aber ich wiederhole: Wir ändern die Politik. Und das entscheidende Wort hierbei ist: »Wir«.“

Jeremy Corbyn. Rede auf dem Labour-Parteitag in Brighton, September 2017.

Menschen sollen die Ökonomie zu ihrem nachhaltigen solidarischen und friedlichen Nutzen demokratisch beherrschen. Das ist ein wesentlicher Sinn wirklicher „Sozialdemokratie“. Das sei völlig unzeitgemäß, ginge es nach den ehemaligen sozialdemokratischen Regierungs- und Parteichefs Tony Blair und Gerhard Schröder: „Modernisierung der Politik bedeutet nicht, auf Meinungsumfragen zu reagieren, sondern es bedeutet, sich an objektiv veränderte Bedingungen anzupassen. (…) Wir wollen eine Gesellschaft, die erfolgreiche Unternehmer ebenso positiv bestätigt wie erfolgreiche Künstler und Fußballspieler und die Kreativität in allen Lebensbereichen zu schätzen weiß. (…) Moderne Sozialdemokraten wollen das Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverantwortung umwandeln.“ („Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten“, London, 8. Juni 1999.)

Damit war die abschüssige Bahn eröffnet, auf der die Sozialdemokratien Europas schliddern. Die SPD hat seither nicht nur die Hälfte ihrer Wählerschaft, sondern auch ihrer Mitglieder eingebüßt.

– Was sollte der Quatsch?

Vorgeblich ging es darum, Vollbeschäftigung und Sozialstaatlichkeit mit den Gewinnzielen der Großindustrie und Banken zu versöhnen. Tatsächlich sollte die neoliberale Wirtschafts-, Denk- und Lebensweise gerettet werden, denn sie war damals schon global in der Krise.

Ihre „sozialdemokratische“ Lebensverlängerung bestand darin, weiterem Sozialabbau und Deregulierungen im Interesse der Unternehmen das Kleid des Allgemeininteresses überzuziehen. Es gäbe keine Alternative zur Anpassung an die Märkte, die globale Konkurrenz. Es gäbe darin nur eben – „Eigenverantwortung“.
Das Resultat ist eine Gesellschaft, die von allen Leistung verlangt (und immer mit Versagen droht), Konsum predigt (und Entbehrung fordert, wenn es den Profiten dient), nach wachsender Produktivität schreit, aber die Grundlagen dafür herzustellen in den Bereich individueller Mühsal verschiebt:

„Eigenverantwortung“ ist Vereinzelung, die den Anschein der Freiwilligkeit erhält.
Mit einem erfüllten, weltoffenen, solidarischen, kulturell reichen, demokratisch bedeutsamen, sozial gesicherten und nachhaltig produktiven Leben hat das gar nichts zu tun.

Was also machen die britischen Genossinnen und Genossen anders?

So ziemlich alles: Sie sprechen schonungslos von den sozialen Katastrophen dieses Systems und ihren Profiteuren. Sie sind gegen Angriffskriege, kämpfen für Abrüstung und internationale Solidarität. Sie nehmen die Verstaatlichung privatisierter Grundversorgung in Angriff. Sie wollen gleiche, gute Bildung, Gesundheit, Sicherung für Alle; sie erteilen dafür der „Austerity“ eine Absage. Sie stellen sich ihrer Geschichte in allen Widersprüchen. Sie korrigieren Fehler. Sie analysieren, argumentieren und überzeugen. Sie befürworten den nötigen gesellschaftlichen und innerparteilichen Konflikt. Sie sind im besten Sinne des Wortes ›Partei‹:
„For the many – not the few“.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 18. Oktober 2017, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1371.html