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Küß' die Hand, Normalität...
Die dümmlich-aggressive Fremdenfeindlichkeit eines Jörg Haider hätte im Rahmen einer Hochschule keinen Platz - sollte man meinen. Österreich ist weit und in unseren Seminaren ist es kuschelig-demokratisch. Doch auch im akademischen Milieu gibt es mehr als genug Sympathien für die Positionen der Wiener Rechtsregierung. Alles nur Randerscheinungen und eigentlich gar nicht so schlimm?
In jüngerer Zeit hat die FPÖ ihren Rassismus (Plakatslogan: "Stop der Überfremdung") auf das "Normalniveau", etwa der CDU-Unterschriftenkampagne gegen Ausländer, zurückgeschraubt. Daß dahinter eine Änderung der Position steckt, ist nicht anzunehmen. Es ist eher eine Konzession an die Mehrheitsverhältnisse der österreichischen Wählerschaft.
Doch die Grundüberzeugungen der FPÖ-"Führer" sind weiter stramm rechts. Dies belegt ein Bekenntnis des FPÖ-Kulturberaters Andreas Mölzer: "An erster Stelle steht die Liebe zum gesamtdeutschen Volk [...] sowie die Überzeugung von der unlösbaren Verbundenheit Österreichs mit dem deutschen Schicksal." Dieses Zitat stammt aus dem Buch "Das Waffenstudententum in Vergangenheit und Gegenwart" von 1980; Mölzer hat kürzlich verdeutlicht, daß er zu den inhaltlichen Aussagen weiter steht. Damals nannte Mölzer die "Neuschaffung eines starken deutschen Kultur- und Geistesbewußtseins" ein "erstes Kampfziel". Deutschland sei durch tausend Jahre Kristallisationspunkt aller bedeutenden Ideen der abendländischen Geschichte gewesen. Hier hat die populistische Hetze der FPÖ gegen "marxistische Staatskünstler" und "Kulturschickeria" ihre ideologische Wurzel. Daß 2000 nicht 1933 und Haider nicht Hitler ist, hört man dennoch zuhauf.
Und vieles aus dem FPÖ-Wahlprogramm kommt einem neben offen rechtsextremen Ausfällen unverdächtig normal vor. Die "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch Beseitigung bürokratischer Fesseln" (zum Beispiel durch Schaffung eines "realistischen Arbeitnehmerschutzgesetzes"), die "Flexibilisierung der Arbeitszeit", die "Förderung der Vernetzung von Wirtschaft und Universität", die "Hebung des Pensionsalters", "mehr Wettbewerb im Gesundheitsbereich", die "Stärkung der Eigenverantwortung der Eltern" (statt sogenannter Zwangsbeglückung durch Sozialleistungen): Das alles sind Forderungen, die in verschiedenen Variationen in allen europäischen Ländern geläufig sind.
Die letztlich immer sozialdarwinistische neoliberale Ideologie von der Durchsetzung des jeweils "Besseren" (also Stärkeren) in allen Lebensbereichen wird bei der FPÖ sehr viel konsequenter mit rassistischer Demagogie verbunden. So wird die "größere Eigenverantwortung" für soziale Belange immer damit begründet, daß es die "unkontrollierte Zuwanderung" sei, die das soziale System überlastet. Diese Kombination von Wettbewerbsideologie und Demagogie findet sich auch bei einigen Gruppierungen im Studierendenparlament der Hamburger Universität. Was sie verbindet, ist das Selbstverständnis, normale, leistungswillige Studierende zu repräsentieren sowie die unbedingte Gegnerschaft zu linken Positionen und die populistische Hetze gegen "andersartige" Minderheiten. Man fühlt sich wohl im rechten Sumpf von Corps, Burschenschaften, Landsmannschaften.
Etwa "VERITAS", die sich als pragmatisches, "politisch unabhängiges Team" anpreisen, sich von angeblich parteipolitisch manipulierten Gruppierungen absetzen. In diesem Sinne wollen sie die Studierendenschaft entpolitisieren und ihre Gremien in reine Service-Einrichtungen umwandeln. Sich selbst begreift man als "heranwachsende geistige Elite", die Benennung sozialer Interessen (zum Beispiel der Kampf gegen die Semesterticketpreiserhöhung) wird versucht, als "klassenkämpferisch" zu denunzieren.
Mit Denunziation macht auch der RCDS gern von sich reden. Als "Geldverschwendungsorgien" wird von den CDU-Akademikern beispielsweise die Finanzierung von Frauenanlaufstelle, Frauenhochschulwoche, Schwulen- und FrauenLesbenReferat attackiert. Gegenüber diesen "Randgruppen" sieht man sich als Vertretung der "normalen Studenten".
"Junge Studenten, die bestmöglich studieren wollen und die begriffen haben, daß persönliche Leistungs- und Opferbereitschaft für das Wohl der Gemeinschaft und die eigene Entwicklung unverzichtbar sind". So preist sich die Burschenschafts-Liste Pro Uni unter dem Titel "Aktiv - Freiheitlich - Besser" an. Und was für das freiheitliche Vorbild in der "Ostmark" die "Staatskünstler" sind, sind für die Herrschaften von Pro Uni "berufsmäßige Umstürzler, Bedenkenträger und Studienversager", die sich mit Terroristen solidarisieren und von Revolution schwadronieren würden.
Von dieser Position ist es nicht mehr weit zu den Positionen der rechtsradikalen Hamburger Burschenschaft Germania. Daß Linke per se "volkszersetzend" sind, kann man auf ihrer Homepage ausführlich studieren - Verweise in alle Bereiche des Rechtsradikalismus inklusive. Es rundet das Bild ab, daß für diese Verbindung die "Vereinigung aller Deutschen in einem Staat", also die Heimholung Österreichs ins Reich, eine ernstgemeinte Position ist.
Wenn man am Verbindungshaus in der Sierichstraße österreichisch flaggt, hat dies wohl kaum etwas mit Sympathie für die Eigenstaatlichkeit des Alpenstaates zu tun, zeigt aber deutlich, wie nah die österreichischen Verhältnisse an den Vorstellungen der universitären Rechten sind.
Nach rechts offen
Warum sind die (extrem) Rechten so stark an der Universität? Sicher, weil ihr akademisch-elitärer Dünkel eine lange Tradition hat, aber auch, weil ihre Ideen von Karrierismus und Dienstbarkeit der politischen Mitte nicht fremd sind. Diese Mitte ist an der Uni grün: Die Grüne Hochschulgruppe fordert Innovationen für ein "marodes" Hochschulsystem, um den Anforderungen für den "Wissenschaftsstandort" gerecht zu werden. Dabei sind ihr "alte" Positionen (z.B. Pazifismus und Basisdemokratie) eine Behinderung. Soziale Interessen werden von ihr geleugnet, Sozialstaat, Solidarität und kooperatives Handeln werden zu den größten Unterdrückern des Individuums erklärt - Konkurrenz als Motor für individuelle "Entfaltung".
Diese Position schafft die Grundlage für die Kooperation von Grünen mit RCDS und Burschenschafts-Listen, wie sie im vergangen Jahr zu beobachten war: Um Reformvorschläge der linken Opposition abzuwehren und ihre eigenen Wünsche nach Entpolitisierung, Serviceorientierung und Entdemokratisierung zwecks Machterhalt durchzusetzen, haben die Grünen der Rechten im Studierendenparlament immer wieder inhaltliche Zugeständnisse gemacht und sich so deren Stimmen erkauft. Die Normalität extrem rechter Positionen scheint die GHG so verinnerlicht zu haben, daß ihren ParlamentarierInnen nicht mal aufstößt, wenn ein schmißgesichtiger Deutschnationaler grüne "Studi-Politik" im Parlament verteidigt. Durch Stillschweigen und Untätigkeit aber auch durch offene Zusammenarbeit haben die Grünen dazu beigetragen, den Hochglanz-Sozialdarwinismus der Neuen Rechten campusfähig zu machen und in die hochschulpolitische Auseinandersetzung zu integrieren.